Verlockung
Gedanken.
„Glaubst du wirklich sie spielt nur?“
„Das könnte ich mir gut vorstellen.“ Ein verschmitztes Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie kam noch näher zu mir und flüsterte weiter: „Sie hat doch damals gesagt, dass sie es toll fände, wenn ihr beide Freundinnen werden könntet. Ich finde als Freunde muss man sich umeinander kümmern, besonders wenn einer davon krank ist. Du solltest also unbedingt mal nach ihr sehen.“
Ich zog überrascht die Brauen hoch. „Bist du jetzt übergeschnappt?! Ich bin nicht mit ihr befreundet und warum willst du unbedingt, dass ich zu ihr gehe?!“
„Sie ist deine Konkurrentin und die solltest du im Auge behalten. Wenn du dich gut mit ihr stellst, bekommst du viel mehr raus.“
Ich musste zugeben dieses Argument hatte etwas. Zudem würde es wohl kaum schaden, wenn ich Faith besuchen ging.
Seufzend erklärte ich darum: „Also gut, ich mach’s.“
Am Nachmittag trat ich den Krankenbesuch an. Ich wusste noch immer nicht recht, ob das wirklich eine gute Idee war. Ich seufzte, klopfte und trat ein, als ich eine Antwort erhielt.
Außer Faith befand sich momentan niemand im Zimmer. Sie lag in ihrer Decke eingewickelt im Bett, wirkte angespannt, blass und ziemlich mitgenommen.
„Hallo“, stammelte ich verlegen. „Ich habe gehört, dass du krank bist und wollte mal nach dir sehen. Ich hoffe, ich störe nicht.“
Ein müdes Lächeln huschte über ihre Lippen, während die Augen rot verquollen und traurig drein schauten.
„Nein, setz dich. Es ist schön, dass du da bist.“
Ich zog mir einen Stuhl heran und nahm neben dem Bett Platz.
„Es freut mich wirklich sehr, dass du gekommen bist. Es ist ziemlich still, so ganz alleine.“
„Was ist mit deinen Mitbewohnerinnen?“, fragte ich zögernd.
„Sie sind die meiste Zeit im Unterricht oder lernen“, erklärte sie. „Zudem bin ich momentan nicht der fröhlichste Umgang.“
„Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht“, antwortete ich darauf.
Sie lächelte gequält, doch dann drangen Tränen aus ihren wundervollen Augen.
„Ist es so schlimm?! Soll ich die Ärztin holen?“ Ich wollte schon aufspringen, doch sie hielt mich auf.
„Ich habe nur eine leichte Erkältung. Gegen das, was mich wirklich krank macht, kann man nichts tun“, murmelte sie leise.
Ich verstand nicht ganz, was mit ihr los war. Irgendetwas war offenbar geschehen, mit dem sie nicht fertig wurde. Im tiefsten Inneren machte sich bei mir auch eine Vorstellung breit, was das sein könnte… doch das war unmöglich.
„Ich seh schon, du hast es verstanden“, sagte Faith und wischte sich die Tränen aus den Augen.
„Du… du hast mit Night gesprochen?“, sprach ich meine Vermutung aus.
„So kann man es wohl nennen“, sie seufzte. „Ich rede nicht gerne darüber, das kannst du mir glauben, aber ich vertraue dir… Seltsam, oder? Wo wir uns doch gar nicht richtig kennen. Vielleicht ist es, weil du ebenso empfindest wie ich und etwas sehr ehrliches hast, ganz anders als all die Mädchen, die sonst hinter ihm her sind.“
Allmählich meldete sich doch das schlechte Gewissen in mir… Immerhin war ich nur gekommen, um sie auszuhorchen und nun war sie wieder mal so freundlich, dass man sich dem nicht entziehen konnte. Vielleicht hatte ich sie wirklich falsch eingeschätzt und ihr Unrecht getan.
„Es war dumm von mir. Ich hatte angenommen, er würde ähnlich fühlen. Ich habe wohl einfach zu viel in die Dinge hineininterpretiert“, sie lachte schmerzerfüllt. „Es lag bestimmt daran, dass ich es mir so sehr gewünscht habe, da blieb kein Platz mehr für die Realität. Jedenfalls habe ich ihn am Abend des Valentinstags noch getroffen. Wir haben geredet und ich glaubte es wäre der perfekte Moment. Wir waren alleine und… es ist mir so peinlich…“
Ich wartete angespannt auf eine Fortsetzung, während meine Gedanken zu kreisen begannen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie Night bei meinem Geständnis reagieren würde… Was, wenn ich auch zu viel in seine Worte, seine Blicke und Gesten legte? Zu sehen wohin das führte, war erschütternd. Stets hatte ich versucht mir einzureden, dass es in Ordnung war von ihm zu träumen. Allerdings verlor man sich allzu schnell in diesen.
Das schlimme war, dass er sich nach solch einem Geständnis wohl unweigerlich von einem entfernen würde, aber ein Leben ohne ihn war unmöglich.
Erneut atmete Faith durch, ganz so, als müsse sie Mut schöpfen. „Ich habe ihn geküsst“, sagte
Weitere Kostenlose Bücher