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Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn

Titel: Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Mang
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Schlankheit, ein hoher, fester, kleiner
Busen, eine schmale, ziemlich hoch sitzende Taille – und ein, hübsch gerundetes Bäuchlein. Dies sollte freilich nicht die Fähigkeit zu fortwährender Schwangerschaft symbolisieren, sondern war ein zart angedeutetes erotisches Lockmittel, was schon als Ausbund an Raffinesse zu werten ist; denn in die Herzen der Damen, und allein das war beim hohen Ideal der Minne entscheidend, durfte nur das kleine Jesulein rein.
    Mit der Renaissance kehrten die Ideale der Antike zurück, alles wurde freizügiger und runder. Der Künstler Giambologna (Giovanni da Bologna, 1529-1608), der hauptsächlich in Italien für das Adelshaus der Medici arbeitete, stellte in zahlreichen Werken das ideale Menschenbild dar: wohlgenährte Männer und Frauen. Die Damen zeigten als Göttinnen der Schönheit wieder Busen, Bauch und Po, auf den sie stolz waren. Die Backen waren wieder rund, ein hübsches Doppelkinn war auch nicht zu verachten, ja durchaus erwünscht. Der Maler Peter Paul Rubens (1577-1640) hat diesem Typus in zahlreichen Gemälden ein unvergängliches Denkmal geschaffen. Und in der anschließenden Ära des Barock und Rokoko wurde dieses Schönheitsbild perfektioniert, das heißt, die Üppigkeit feierte Triumphe. Heute hingegen kommt in den Kreisen der beauty people die Bezeichnung »barocke Figur« oder »Rubens-Figur« einer Beleidigung gleich.
    Mit dem ausklingenden 18. Jahrhundert stellte sich die Scham vor vermeintlich zu viel Pfunden ein. Zwar werden auf Gemälden Fahnen schwingende Amazonen der Französischen Revolution gern brustfrei gezeigt, was eine gewisse frauliche Üppigkeit dokumentiert, ohne die solche Leidenschaft sicher nicht möglich gewesen wäre. Doch nach den Napoleonischen Kriegen und mit dem Aufkommen des Bürgertums wird die Taille dermaßen zusammengeschnürt, dass einem schon beim puren Anblick der Atem wegbleibt. Das Korsett kommt auf, und es entpuppt sich für die Damen der besseren Gesellschaft als Folterinstrument; der Imperativ »Für die Schönheit muss man leiden« muss in jenen Tagen aufgekommen sein – obwohl Frauen in jedem Zeitalter bis zum Exzess für die Schönheit gelitten haben.
    Die Geschichte der Schönheitsgestaltung ist voller extremer und absurder Beispiele. Das betrifft nicht nur die abendländische Kultur,
die das westliche Geschmacksempfinden geprägt hat. In Ägypten wurden in der Epoche des Pharao Echnaton vor über 3500 Jahren Kindern der Oberschicht ein Holzkorsett auf den Kopf gesetzt, das immer fester und enger fixiert wurde, sodass sich im Laufe der Jahre ein hoher, nach hinten gerichteter, zylinderförmiger Schädel entwickelte. Er hatte das dreifache Volumen eines natürlich gewachsenen Kopfes und galt als Ausdruck ganz besonderer Schönheit.
    Die Künstlerin Sabine Vogel hat eine 32 Zentimeter große Porzellanpuppe geschaffen: Das Mädchen »Tuk Tuk« stellt eine zierliche Braut im weißen Kleid, mit weißer Haut und ebenholzfarbenem Haar dar; ihr Anblick ist anrührend und schockierend zugleich, denn »Tuk Tuk« vereint die Schönheitsideale verschiedener Zeitalter, Kontinente und Völker: Ihre Unterlippe ragt wie ein kleines rundes Tablett nach vorn – ein Schönheitsideal, das aus Äthiopien stammt. Das kleine Volk der Surma (ca. 50 000 Menschen) pflegt bei Frauen den Brauch der Tellerlippe. Dabei wird den Mädchen nach Eintritt der Pubertät die Unterlippe durchbohrt und durch Einsetzen immer größerer Holz- oder Tonteller auf bis zu 15 Zentimeter Durchmesser ausgedehnt. Damit dieser Lippenteller auch horizontal Halt findet und nicht durch sein Gewicht nach unten hängt, wird er in einer Zahnlücke des Unterkiefers fixiert, bei dem die beiden unteren Schneidezähne herausgebrochen werden. Essen können diese Frauen nur mit großer Mühe und nur kleinste Portionen; sie sind ungewöhnlich dünn. Diese barbarisch anmutende »Mode« soll von Männern erfunden worden sein, die damit ihre Frauen für Sklavenjäger uninteressant machen wollten. Heute sind die Tellerlippen bei den Surma ein Schönheitsideal, ein Mädchen ohne Verstümmelung gilt als unattraktiv und ist als Ehekandidatin unvermittelbar.

»Tuk Tuks« Schönheit ist in Wahrheit qualvolle Folter
    »Tuk Tuks« hoher, superschlanker Hals steckt in einer Röhre aus Messingringen – ein Brauch, der von dem Volksstamm der Padaung im Grenzgebiet zwischen Thailand und Burma vereinzelt noch heute gepflegt wird. Die ersten Ringe bekommen die kleinen Mädchen
im Alter von fünf

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