Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
Abmagern oder Mästen des Körpers, durch das Spitzfeilen der vorderen Zähne oder mit einer Narben-Ornamentik wie bei verschiedenen Naturvölkern.
Von diesen Ausschmückungen und Veränderungen erhoffte man sich, für das andere Geschlecht attraktiver zu sein, was gleichbedeutend mit Machtzuwachs war.
Schauen wir in die Steinzeit, so begegnet uns etwa mit der Darstellung der Venus von Willendorf (vor rund 25 000 Jahren) eine Frauenfigur, die nach dem heutigen westlichen Geschmack als ausgesprochen unattraktiv zu bezeichnen ist – im Unterschied zum Schönheitsideal in einigen Regionen Asiens und Afrikas: ein draller Körper mit mächtigem Hüft- und Bauchumfang, mit kurzen gedrungenen Beinen und großen, schweren Brüsten. Dennoch strahlt diese nur elf Zentimeter große Kalksteinfigur, die 1908 in Willendorf in der Wachau (Österreich) gefunden wurde, Charakter, Zuversicht, Souveränität, ja sogar einen gewissen (derben) Humor aus, Eigenschaften, die unabdingbar für die Attraktivität eines Menschen sind. Fraglich ist allerdings, ob das altsteinzeitliche Kunstwerk zur Verherrlichung des damaligen Schönheitsideals geschaffen wurde. Wahrscheinlich handelt es sich um die Beschwörung eines Fruchtbarkeitssymbols. Vielleicht auch um die Zurschaustellung eines gewissen Wohlstands, denn die Dame ist wohlbeleibt, was in jenen Zeiten der unsicheren Versorgungslage auf einen gehobenen, privilegierten Status schließen lässt. Man zeigte, was man hatte. Und so halten es die Schönen und Schönheiten unserer Tage ebenfalls, ob die Schönheit nun echt ist oder nicht.
In der Antike war ein ganz anderer Typ gefragt: Der ideale Körper hatte nicht zu dick und nicht zu dünn zu sein. Der jugendliche, nicht überproportionierte Athlet war das Vorbild für den idealen Männerkörper, das sich bis heute gehalten hat. Doch wie an der Venus von Milo zu sehen, die als Abbild der Aphrodite, der Göttin der Schönheit, der Liebe und der sinnlichen Begierde, um 100 v. Chr. auf der Kykladeninsel Milos geschaffen wurde, strebten die altgriechischen Frauen nach feinen, doch nicht zu asketischen Gesichtszügen, kleinen, festen und runden Brüsten, einem ziemlich ausgeprägten, kräftigen Becken, das man heutzutage als gebärfreudig bezeichnen würde. Die Marmordame hat nicht nur eine ziemlich derbe Taille und ein ausladendes Hinterteil, sondern im hübschen Gesicht auch gut gepolsterte Knubbelwangen sowie den leichten
Anflug eines Doppelkinns. Die Statuen der Römerzeit weisen bei den Frauen ähnliche Proportionen auf; hier durften die Damen sogar noch ein kleines Bäuchlein haben, selbst wenn sie nicht schwanger waren. Dieses klassische Schönheitsideal der Antike, das nicht nur unter Kunsthistorikern als Maßstab für Ästhetik gilt, hätte leider bei den optischen Ansprüchen in der heutigen Welt der Hungerhaken auf dem Laufsteg keine Chance, doch besser sehen die keinesfalls aus, im Gegenteil
Dann hätten wir noch die bekannteste Dame der Antike: Kleopatra, die Ägypterin. Ihre Schönheit wird seit über 2000 Jahren gerühmt, und wir alle haben das Bild der unvergleichlichen Elizabeth Taylor vor Augen, wenn wir an Kleopatra denken. Die englische Oscar-Preisträgerin hatte 1963 Kleopatra im gleichnamigen Hollywood-Epos dargestellt. Liz Taylor galt als schönste Frau der Welt; sie verkörperte Klasse, Leidenschaft, Explosivität und eine köstliche, unberechenbare Koketterie. Und sie war klein, zierlich, mit feinen Gesichtszügen, wunderschönen, Funken sprühenden Augen – und einem deutlich sichtbaren Hang zu jenen erotischen Pölsterchen, die jede Frau verschönern. Rasse nannte man das damals. Solche Diven sind, wie die Magie einer Kleopatra, offensichtlich ausgestorben, denn für die jetzt angesagte Kleidergröße 36 ist so viel Schönheit einfach zu groß, zu überwältigend.
Im Mittelalter war ein Bäuchlein sehr erotisch
Dem Mittelalter fehlt, auch was Schönheitsideale anbelangt, viel von der Sinnenfreude der Antike. Es war die Zeit der Keuschheitsgürtel. Gotik hieß die Stilrichtung. Und so waren die Damen, die von Minnesängern wie Walther von der Vogelweide oder Wolfram von Eschenbach so hingebungsvoll besungen wurden, rein äußerlich von der himmelstürmenden Kargheit der Gotik beseelt, wie wir auf zahlreichen Miniaturen sehen können. En vogue waren blond gelocktes, langes Haar, blasse, besser noch schneeweiße Haut mit rosa Bäckchen, eine hohe Stirn, blaue Augen und ein kleiner roter Mund; dazu mädchenhafte
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