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Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn

Titel: Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Mang
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Immobilienmakler mit 96 Spritzenpiksern das Gesicht auffrischt, das von den Einstichen schon völlig blutig ist. Auf der Fensterbank liegt der eingangs erwähnte Artikel des »Observers«, der die Unterzeile hat: »Unsere Reporterin sah sich den Horror an.« Doch Brandt spritzt seinem Patienten ungerührt noch ein bisschen die Hände auf, »damit sie durch die hervortretenden Adern nicht so alt aussehen«. Als der Makler sagt, dass seine Ellbogen auch etwas faltig seien, ist Fredric Brandt echt überrascht, was sehr selten passiert. Bei faltigen Ellbogen müsse sogar einer wie er passen.

4. Verlorene Schönheit
    »Warum bin ich so vergänglich, o Zeus?, so fragte die Schönheit. Macht ich doch, sagte der Gott, nur das Vergängliche schön.« Friedrich Schiller
     
    Welche Schönheitsideale haben Schönheitschirurgen? Eine schwierige, manchmal sogar gefährliche Frage. Würde ich sagen, ich liebe die Rubens-Frau, so wäre das, als würde ein kalorienbewusster Drei-Sterne-Koch verraten, dass er am allerliebsten die sahnigen Kunstwerke eines Spitzenkonditors isst. Eine kontraproduktive, bisweilen auch geschäftsschädigende Auskunft. Nein, ich stehe nicht besonders auf Rubens-Frauen, obwohl dieser Typ durchaus seine Reize haben kann. Andererseits bin ich auch kein Fan dieser modernen supersexy Model-Stars à la Kate Moss, Naomi Campbell oder gar einer Pamela Anderson, die ihre Oberweite wie einen prallen Michelin-Reifen vor sich herschiebt, doch deren Figur sich so viele Frauen wünschen. Das mag ja alles noch ganz hübsch anzusehen sein, doch jene Klasse, die einem den Atem verschlägt, die haben sie leider nicht.
    Ich finde, dass Schönheit in einer Zeit, in der alle fit und gut aussehen wollen, ein kostbares Gut geworden ist – und ein sehr rares. Was vor allem zählt, sind der Busen, die Taille, die schlanken Beine, der Knack-Po, der Schmollmund. Doch die wahre, naturgegebene Schönheit, laut Friedrich Schiller »der Gott der Welt«, ist uns, so fürchte ich, abhanden gekommen, weil wir die Augen dafür, den Geschmack und die Demut des Betrachtens und Genießens verloren haben. Haben wir somit auch das Gottesgeschenk Schönheit verloren?
    Natürlich gibt es sie noch. Sie blüht aber eher im Verborgenen als auf roten Teppichen im Scheinwerferlicht der Kameras, wenn neue
Topmodels gecastet oder immer die gleichen mehr oder minder ordinären und talentfreien Groupies, die sich Stars nennen dürfen, im Rausch der allgemeinen Geschmacksverirrung abgelichtet werden. Entsprechend hat in unserem Vokabular, in dem »geil« als die Formel für Superlative gilt, das Wörtchen »schön« kaum noch Platz. Wer Schönheit nicht beschreiben kann und nur noch mit Primatengestammel auf optische Reize reagiert, der kann Schönheit auch nicht erkennen. Schönheit verdient Respekt; wo kein Respekt ist, tut sich Schönheit schwer. Natürlich sind Hollywood-Größen wie Angelina Jolie oder Catherine Zeta-Jones schöne Frauen, im herkömmlichen Sinn. Schön anzusehen, für Männer sehr animierend und reizvoll. Ihre ästhetische Ausstrahlung wird spielend von ihrer erotischen übertrumpft. »Hammergeil«, würde ein Dieter Bohlen sagen – und vermutlich hat er damit sogar recht.
    Doch das ist es nicht, was ich unter klassischer Schönheit verstehe. Bei diesem Begriff denke ich sofort an die 3500 Jahre alte, wunderbar ebenmäßige Büste der altägyptischen Pharaonengattin Nofretete. Ihr Name bedeutet: Die Schöne ist gekommen … Und mir fällt vor allem Grace Kelly ein, eine natürliche Schönheit, für mich die schönste aller Frauen. Ihr Gesicht war vollkommen harmonisch. Sie hatte eine kleine, geschwungene Nase, normal konturierte Lippen, ein prominentes Kinn, hohe Wangenknochen, keine Fettablagerungen im Gesicht, frische Augen, eine hohe Stirn, gepflegte Haut und Haare. Sie war schlichtweg perfekt. In ihrem ebenmäßigen Gesicht stimmte alles. Es ist für mich als Schönheitschirurg das Ideal – und nach dem operiere ich auch.
    Allerdings ist kaum etwas so schwer wie die Definition von zeitloser Schönheit. Ich glaube, dass es so ein Ideal nicht gibt. Jede Epoche hat ihr eigenes Schönheitsideal hervorgebracht, das sich von dem anderer Zeitabschnitte oft grundsätzlich unterscheidet. Dabei haben die Menschen im Laufe ihrer Geschichte die unterschiedlichsten Mittel eingesetzt, um dem jeweiligen Ideal zu entsprechen – mit Hilfe von Kleidung, Schmuck und Körperbemalung oder durch direkte Veränderungen des Körpers, sei es durch

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