Verlogene Schoenheit - Vom falschen Glanz und eitlen Wahn
operiert ein praktischer Arzt, mal ein Chirurg, der einen Wochenendkurs belegt hat, mal ein Arzt ohne Zusatzqualifikation. Alles ist erlaubt – und für die Patienten besteht die Gefahr, an einen unqualifizierten oder unerfahrenen Arzt zu geraten. Ein guter ästhetisch-plastischer Chirurg muss aber nicht nur eine über sechsjährige chirurgische Fachausbildung mit Schwerpunkt plastisch-ästhetische Chirurgie haben, was vielen Medizinern zu zeitaufwendig und mühsam ist, sondern auch Künstler und Psychologe sein. Dazu gehören Talent und dreidimensionales Vorstellungsvermögen. Das haben nur wenige Ärzte, und deswegen gibt es auch nicht so viele gute Schönheitschirurgen.
Außerdem qualifizieren sich talentierte Chirurgen nicht nur mit guten Noten. Ich habe oft genug erleben müssen, dass Medizinstudenten mit einem Notendurchschnitt von 1,0 handwerklich nicht sonderlich begabt waren, was ein guter Chirurg aber nun mal sein muss. Insofern lässt der Numerus clausus gute Chirurgen auf die Dauer aussterben.
Chirurgie ist ein filigranes Handwerk, das großes Geschick verlangt. Die Abiturnoten sind unwichtig
Viele Ärzte verstecken sich hinter ihrem Titel »Plastisch-Ästhetischer Chirurg«. Manch einer, der bei mir in der Bodenseeklinik als Assistenz- oder Oberarzt anfangen möchte, wäre besser nicht Chirurg geworden. Wer handwerklich nicht begabt ist, der kann nicht gut operieren. Ein guter Chirurg kann auch eine Taschenuhr oder eine elektrische Eisenbahn zusammenbauen. Chirurgie ist ein filigranes Handwerk, und dazu gehört auch die exakte Kenntnis der
Anatomie. Wer das draufhat und dazu noch Talent und Leidenschaft, der kann auch gut operieren. Und nur solche Leute sollten bei Schönheitsoperationen an die Patienten gelassen werden, was oft genug nicht der Fall ist.
Leider werden in Internetforen und Prospekten von sogenannten Schönheitschirurgen, oder besser ausgedrückt: von schwarzen Schafen, Ergebnisse vorgegaukelt, die nicht erreichbar sind. Risiken werden verschwiegen, sodass die Patienten sehr verunsichert sind. Es können nun mal schwerwiegende Folgen auftreten, gerade bei Operationen, die von ungeübten oder ungenügend qualifizierten Ärzten durchgeführt werden. Bei uns in der Bodenseeklinik ist bereits jede vierte Operation eine Reparatur von Eingriffen, die anderweitig gemacht wurden. Man muss sich vorstellen, dass beim Fettabsaugen an Bauch und Oberschenkel eine innere Wunde entsteht, die einem Viertel der Körperoberfläche entspricht. In neun Prozent aller Fälle kommt es bei der Liposuktion zu Komplikationen, so wurde etwa bei einer 49-jährigen Patientin der Dünndarm durchlöchert. Statistisch gesehen kommt auf 5000 Fettabsaugungen ein Todesfall. Dem Gesundheitsausschuss des Bundestages liegen Zahlen vor, wonach sich die Hälfte aller Patienten über Probleme nach Fettabsaugen beklagen. Und die Stiftung Warentest bemängelte bereits 2002 eine mangelhafte Patientenberatung. Nicht einmal jeder sechste Arzt informiere vor einer Liposuktion über das Sterberisiko.
Aber auch nach jeder fünften Brust-OP leidet, statistisch gesehen, die Patientin. Die meisten betroffenen Frauen klagen hinterher über mangelnde Aufklärung vor der Operation. Ihnen seien die Risiken, die ein solcher Eingriff mit sich bringt, verschwiegen worden, wie eine Münchnerin behauptete. Die Frau hatte sich nach einem Party-Geplauder mit einem Schönheitschirurgen entschlossen, ihre Brüste vergrößern zu lassen. Die Operation ging aber gründlich schief: Der Brustmuskel wurde perforiert, mehrere Nachoperationen waren erforderlich, zudem verrutschte das Implantat der Patientin beim Skaten. Nach weiteren Operationen muss die Frau jetzt »mit einer unerfreulichen Optik« leben; außerdem sei ihr Oberkörper stellenweise gefühllos, andererseits habe sie ein dauerhaftes Gefühl von Anspannung und wetterbedingte Schmerzen. Die Münchnerin
ging vor Gericht – und verlor dort. Der Gutachter verneinte einen groben Kunstfehler des Arztes. Und die Richter erklärten der Klägerin, sie habe ein Papier, in dem alle möglichen Risiken aufgeführt wurden, unterschrieben, woran die Patientin allerdings keine Erinnerung mehr hatte. Eigentlich müsste man die Fotos von solch missglückten Operationen zur Warnung ins Internet stellen, sagte der Vorsitzende Richter, bevor er die Klage abwies.
»Manchmal wird sozusagen auf dem Küchentisch abgesaugt«
In einem anderen, ungleich tragischeren Fall wurde ein Schönheitschirurg wegen
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