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Verloren

Verloren

Titel: Verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Taylor
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Selbstmitleid hasse. Die Dinge sind nun mal, wie sie sind, und es hilft nichts, darüber zu jammern.
    Mit einem leisen Seufzen wende ich mich wieder dem Mann zu, der auf meine Bemerkung noch nichts gesagt hat. Er betrachtet wieder mich, und der Ausdruck in seinen Augen ist anders. Sein Interesse, das vorher trotz seines strahlenden Lächelns eher beiläufig war, ist jetzt echt, das spüre ich – und mein Herz klopft ein kleines bisschen schneller, als unsere Blicke sich begegnen. Es würde helfen, wenn ich ihn nicht so attraktiv fände. Aber zum Glück habe ich jahrelange Übung darin, mir nicht anmerken zu lassen, wie es tatsächlich in mir aussieht, deshalb kann ich das hoffentlich verbergen.
    »Sie kennen sich mit Kunst aus?« Es ist eher eine Feststellung als eine Frage.
    »Eine Grundvoraussetzung für meinen Beruf, ja«, bestätige ich ihm.
    Im ersten Moment überrascht das viele. Offenbar trauen sie einer Fünfundzwanzigjährigen auf diesem Gebiet nicht unbedingt viel Wissen zu. Aber wenn man wie ich zwischen Gemälden und Skulpturen aller Art aufgewachsen ist und das Familieneinkommen davon abhängt, diese richtig zu bewerten und einzuschätzen, dann lernt man das schnell. Wo andere Kinder über Ausmalbüchern saßen, hat mein Vater mir die Pinselführung von van Gogh erklärt, und ich konnte die Unterschiede zwischen Impressionisten und Expressionisten aufzählen, bevor ich lesen konnte. Die Kunst hat also schon immer mein Leben bestimmt. Und wenn es nach mir geht, dann bleibt das auch so.
    Aber dann erkenne ich, dass der Mann gar nicht überrascht guckt. Eher grimmig. Sein eben noch herausforderndes Lächeln ist jedenfalls verschwunden. Stattdessen ist die Stirnfalte von eben wieder zu sehen, steiler als zuvor, was mich irritiert.
    »Was machen Sie denn beruflich?«, will er wissen.
    Ich registriere erst jetzt, wie groß er ist. Er überragt mich ein Stück, dabei steht er eine Stufe unter mir, und unter seinem feinen hellen Anzug und dem offenen weißen Hemd, das er trägt, hat er breite Schultern und eine Figur, die durchtrainiert wirkt. Deshalb konnte er mich wahrscheinlich auch so problemlos auffangen. Ich schlucke. Beeindruckendes Gesamtpaket, wirklich. Wenn er mich mit diesen ungewöhnlichen Bernstein-Augen nur nicht die ganze Zeit so intensiv fixieren würde …
    Reiß dich zusammen, Sophie, ermahne ich mich. Seit wann lässt du dich von einem Mann so aus dem Konzept bringen? Ich räuspere mich, um endlich auf die Frage zu antworten und mich ihm vorzustellen.
    »Ich führe zusammen mit meinem Vater ein Auktionshaus in London. Ich bin …«
    »Sophie Conroy«, beendet der Mann den Satz für mich, als ich gerade die Hand ausstrecken will, um ihn zu begrüßen.
    Es ist wieder eine Feststellung. Und es klingt wie ein Vorwurf.

2
    Ich lasse meine Hand wieder sinken, sehe ihn verwirrt an.
    »Kennen wir uns?« Hektisch überprüft mein Gehirn jeden Winkel meiner Erinnerung. Kann ich diesem Mann schon mal irgendwo begegnet sein – und weiß es nicht mehr? Nein. Unmöglich. Ich hätte ihn nicht vergessen, ganz sicher nicht.
    Er schüttelt den Kopf, was mich ziemlich erleichtert. Dement bin ich also noch nicht. Doch dann setzt meine Verwirrung sofort wieder ein. Wenn er mir noch nie begegnet ist, wieso sieht er dann so aus, als bereue er zutiefst, ausgerechnet mich vor einem Treppensturz bewahrt zu haben?
    Ich will ihn das fragen und ich will auch noch mehr wissen, zum Beispiel, wer er eigentlich ist, doch ich komme nicht mehr dazu, weil wir unterbrochen werden.
    »Matteo?«
    Die Stimme kommt von oben, und als wir beide aufblicken, steht eine dunkelhaarige Frau am Treppenabsatz. Sie sieht sehr gut aus und trägt zu ihrem smaragdgrünen Abendkleid teuren Brillantschmuck, gehört also offenbar zu den betuchteren Gästen.
    »Da bist du ja endlich«, ruft sie dem Mann auf Italienisch zu – ich verstehe diese Sprache besser, als ich sie spreche – und lächelt mich entschuldigend an. »Kommst du?«
    Der Mann – Matteo heißt er also – hat es plötzlich sehr eilig.
    »Entschuldigen Sie mich.« Er knurrt es fast und wirft mir noch einen letzten langen Blick zu, den ich überhaupt nicht deuten kann. Dann eilt er die Treppe rauf, nimmt die Stufen dabei so schwungvoll, dass er wenige Augenblicke später bei der Frau im grünen Kleid ist. Er begrüßt sie mit einer festen Umarmung, nicht mit den sonst hier üblichen Wangenküssen, und sie strahlt ihn an, offenbar überglücklich, ihn zu sehen.
    Sie ist älter als

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