Verloren
er sich an die Frau. »Valentina, carissima , dov’è Giacomo?«
Die Frau – sie sieht trotz ihrer vielen Falten wirklich gut aus und muss früher mal eine echte Schönheit gewesen sein – lächelt.
»Er kommt gleich zurück«, informiert sie Andrew auf Italienisch, dann betrachtet sie mich neugierig – eine Aufforderung, der er sofort nachkommt.
»Valentina, darf ich vorstellen, das ist Sophie Conroy aus England«, sagt er, diesmal auf Englisch. »Und das ist Valentina Bertani, eine gute Freundin von Giacomo.«
»Freut mich sehr.« Die alte Dame hat jetzt ebenfalls ins Englische gewechselt, das ihr trotz ihres starken Akzents offensichtlich geläufig ist. Sie streckt mir die Hand entgegen, die ich auch ergreife, doch meine Antwort kommt verzögert, weil ich noch damit beschäftigt bin, meine Eindrücke zu sortieren. Den Namen kenne ich. Und das Muster auf dem Stoff …
»Bertani? Haben Sie etwas zu tun mit den Bertanis, die …«
»… die hübschen Schuhe und Taschen machen?« Die Frau, die offenbar mit der Frage gerechnet hat, lacht erfreut. »Oh ja. Das Unternehmen gehört unserer Familie und wird heute von zwei meiner Enkel geleitet. Kennen Sie unsere Produkte?«
»Natürlich! Die Sachen sind wunderschön«, versichere ich ihr sofort und fast entrüstet. Wer kennt den italienischen Design-Konzern schließlich nicht, dessen Logo eine stilisierte Möwe ist und der – im Luxussegment – weit mehr produziert als nur Schuhe und Taschen. Der Name Bertani steht auch für exklusive Designermöbel und gemusterte Stoffe, die seit einiger Zeit zudem das Herzstück einer eigenen Modekollektion bilden. Das Muster auf dem Kleid der Frau ist typisch für das Label, deswegen kam mir das auch so bekannt vor – neben der Kunst habe ich nämlich auch ein Faible für Design. Und auf diesem Gebiet spielt Bertani definitiv in der ersten Liga, weshalb ich ehrlich fasziniert bin, jemanden aus dem Unternehmen kennenzulernen.
Für Signora Bertani scheint das Gespräch über ihre Firma jedoch abgehakt, denn ihr Interesse gilt jetzt mir.
»Und was tun Sie hier in Rom, meine Liebe?«
Es ist keine Höflichkeitsfloskel, sie will das wirklich wissen, denn ihre grünen Augen funkeln aufmerksam, was ich sehr sympathisch finde. Und sie wirkt auch noch erstaunlich fit für ihr Alter, das ich auf achtzig schätze.
»Ich bin Kunsthändlerin«, erkläre ich ihr bereitwillig und will noch mehr sagen. Doch bevor ich das tun kann, stößt Valentina einen kleinen Schrei aus.
»Oh ja, natürlich – Sophie Conroy«, sagt sie und schüttelt den Kopf, sichtlich verärgert über sich selbst. »Sie kommen von diesem englischen Auktionshaus und sollen Giacomo helfen, seine Sammlung zu verkleinern, nicht wahr? Er hat es uns erzählt – ich hatte es nur vergessen. Verzeihen Sie, ich werde alt.« Sie lächelt entschuldigend und deutet dann auf den freien Platz neben sich. »Bitte, setzen Sie sich doch einen Moment zu mir.«
Etwas unsicher blicke ich mich zu Andrew um, doch der ist mittlerweile in eine angeregte Diskussion mit einem anderen Mann vertieft. Deshalb folge ich der Aufforderung und nehme auf dem zierlichen Sofa Platz.
»Ich freue mich so, Sie kennenzulernen«, versichert mir Valentina Bertani und tätschelt meine Hand. »Nach allem, was Andrew uns von Ihnen erzählt hat, war ich nämlich schon sehr neugierig auf Sie.«
Ein bisschen verlegen drehe ich das Champagner-Glas in meiner Hand. »Ich hoffe, es war nur Gutes.«
Sie nickt vehement. »Absolut. Er hat Sie in den höchsten Tönen gelobt, und so etwas tut er nur, wenn er von jemandem sehr überzeugt ist. Deshalb bin ich ganz sicher, dass Sie das mit Giacomos Bildern ganz hervorragend machen werden.«
»Noch haben wir den Auftrag nicht bekommen«, widerspreche ich ihr, doch sie winkt ab, so als wäre das lediglich eine Formsache. Dann beugt sie sich ein bisschen vor, sodass nur ich sie hören kann.
»Sie wissen, warum Giacomo die Bilder verkaufen will?«
Ich nicke, denn das war tatsächlich das Erste, was Andrew mir über unseren potentiellen neuen Auftraggeber erzählt hat: dass Giacomo di Chessas Frau vor gut einem Jahr verstorben ist und er jetzt, kurz nach seiner Pensionierung, Rom verlassen und zu seiner Tochter ziehen will, die mit ihrer Familie in England wohnt.
Mit einem Seufzen lehnt Valentina Bertani sich zurück.
»Er braucht diesen Neuanfang, wissen Sie. Francescas Tod hat ihn sehr mitgenommen. Es wird leichter für ihn sein, wenn er bei Anna und seinen Enkeln
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