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Verloren

Verloren

Titel: Verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Taylor
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nachdenken.
***
    Etwas trifft mich an der Schulter, nicht hart, aber doch so schmerzhaft, dass ich davon aufwache. Die Sonne scheint bereits durch die Ritzen in den geschlossenen Fensterläden, und im Licht erkenne ich die dunklen Möbel – das breite Bett und den Schrank mit dem stummen Diener davor – sofort wieder. Ich bin in Matteos Schlafzimmer, und er liegt neben mir, ich fühle seine Wärme.
    Aber etwas ist nicht in Ordnung, denn er bewegt sich unruhig, stöhnt im Schlaf. Sein Handrücken ruht außerdem auf meiner Schulter, und ich begreife, dass er mich dort getroffen hat, als er den Arm zur Seite geworfen hat.
    Besorgt richte ich mich auf und lege die Hand an seine Schulter, rüttle ihn sanft, um ihn zu wecken.
    »Matteo?«
    Er ist so schnell über mir und hat mich in die Kissen gedrückt, dass ich vor Schreck den Atem anhalte. Seine Hände krallen sich in meine Oberarme und sein Gesicht ist verzerrt. Verzweifelt.
    »Nein!«, stößt er heftig hervor und wiederholt es dann noch mal. Doch während er es das zweite Mal sagt, klart sein Blick auf und er erkennt mich, begreift, dass er nur geträumt hat. Mit einem Stöhnen lässt er sich auf seine Seite des Bettes zurücksinken und legt den Arm über seine Stirn, atmet tief aus, offensichtlich erleichtert, die Bilder los zu sein, die ihn gequält haben.
    Ich bin noch so erschüttert von seinem plötzlichen Ausbruch, dass ich mich nur zaghaft aufsetze, und als ich mich bewege, blickt er mich an, scheint sich erst jetzt wirklich bewusst zu werden, was passiert ist.
    »Entschuldige«, stößt er hervor, immer noch sichtlich verstört. »Ich habe … ewig nicht davon geträumt.«
    Meine Oberarme schmerzen noch von seinem festen Griff, und ich streiche instinktiv darüber.
    »Wovon?«, frage ich, weil es ein verdammt schlimmer Albtraum gewesen sein muss, wenn er ihn so aufregt.
    Er sieht mich nur an, dann schwingt er sich aus dem Bett, tritt mit schnellen Schritten ans Fenster und reißt die Läden auf, so als wollte er mit dem Licht, das jetzt ins Zimmer flutet, die Schatten des Traumes endgültig vertreiben.
    Eine Weile bleibt er so stehen, nackt und schön, aber mit einer Miene, die düsterer nicht sein könnte, und ich glaube schon, dass er gar nicht mehr antworten wird.
    Doch dann legt er plötzlich eine Hand in den Nacken und verzieht das Gesicht, als würde ihm etwas Schmerzen bereiten, das er abschütteln will, aber nicht kann.
    »Von dem Unfall«, sagt er dann tonlos, und ich spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht. »Meine Frau. Sie ist …«
    »Ich weiß«, unterbreche ich ihn, damit er es nicht sagen muss. »Ich … habe davon gelesen.«
    Er nickt nur, offenbar ist er es gewohnt, dass die Leute über die Details seines Lebens Bescheid wissen, ohne dass er im Gespräch etwas davon erwähnt hat. Denn das hat er mir gegenüber bisher nicht, weder den Unfall noch die Tatsache, dass er schon mal verheiratet war. Und das ist sicher auch kein Wunder, wenn ihn das so aufwühlt, denke ich betroffen.
    Aber wieso träumt er davon? Ich bin ziemlich sicher, dass in dem Artikel über das Unglück stand, dass die Maschine, in der Giulia Bertani und ihr Fluglehrer saßen, über dem Meer abgestürzt ist. Matteo kann also nicht dabei gewesen sein. Oder?
    »Ich wollte nicht, dass sie fliegt«, sagt er, als hätte er meine Gedanken gehört, und liefert mir die Erklärung. »Ich wollte es verhindern, aber sie waren schon gestartet, als ich kam.«
    Endgültig irritiert sehe ich ihn an. Wie meint er das? Dass der Unfall passieren würde, konnte schließlich niemand vorhersehen. »Aber … du wusstest doch nicht, dass sie verunglücken würden.«
    Matteo scheint mich gar nicht zu hören.
    »Ich hätte es verhindern müssen. Ich hätte …« Er bricht ab und ballt die Hände zu Fäusten, schließt die Augen. Für einen Moment verharrt er so, ringt mit sich, und als er sie dann wieder öffnet und mich ansieht, ist alles daraus verschwunden, was vorher da war – die Verzweiflung, der Zorn, einfach alles. Es ist, als hätte er einen Vorhang vor sein Innerstes gezogen. Er lächelt jetzt wieder, aber es ist dieses kalte Lächeln, an dem alles abprallt. Das mich ausschließt.
    »Was meinst du?«, frage ich trotzdem, noch ganz erschrocken. »Was hättest du denn tun können?«
    Matteo schüttelt er den Kopf.
    » Lascia perdere . Es ist nicht wichtig.« Er dreht sich um und geht mit großen Schritten ins Bad, schließt die Tür hinter sich, und ich höre, wie kurze Zeit später die

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