Verlorene Illusionen (German Edition)
nicht zuviel sein, um ihn dort über Wasser zu halten. Und brauchen nicht überdies Sie und Ihre Mutter einen Beistand! Teure Eva, heiraten Sie mich aus Liebe für Lucien. Vielleicht lieben Sie mich später, wenn Sie die Anstrengungen sehen, die ich mache, um ihm zu dienen und Sie glücklich zu machen. Wir sind alle beide bescheiden in unsern Ansprüchen ans Leben, wir brauchen nicht viel; das Glück Luciens wird der Angelpunkt unseres Daseins sein und sein Herz der Schatz, dem wir Glück, Gefühl und Sinn, dem wir alles weihen!«
»Das Herkommen trennt uns«, sagte Eva, die mit Bewegung gewahrte, wie seine große Liebe sich klein machte. »Sie sind reich, und ich bin arm. Man muß sehr lieben, um über eine solche Schranke hinwegzukommen.«
»Sie lieben mich also noch nicht genug«, rief David wie außer sich.
»Aber Ihr Vater würde vielleicht Einspruch erheben...«
»Dann ists gut,« antwortete David, »wenn nur mein Vater im Wege steht, werden Sie meine Frau. Eva, teure Eva, jetzt in diesem Augenblick machen Sie mir das Leben wieder leicht zu tragen. Ach, mir war das Herz sehr schwer von Gefühlen, die ich gar nicht ausdrücken konnte. Sagen Sie mir nur, daß Sie mich ein bißchen lieben, dann finde ich schon den Mut, Ihnen alles zu sagen.«
»In Wahrheit,« sagte sie, »Sie machen mich ganz beschämt; aber da wir uns unsere Gefühle anvertrauen, muß ich Ihnen sagen, daß ich nie im Leben an einen andern gedacht habe als an Sie. Ich habe in Ihnen einen der Männer gesehen, auf die die Frau, die ihnen angehört, stolz sein kann, und ich hätte für mich, eine arme Arbeiterin ohne Aussichten, nie solch ein großes Los erhofft.«
»Genug, genug«, sagte er und setzte sich auf das Geländer des Wehrs, zu dem sie zurückgekehrt waren, denn sie gingen wie Narren immer auf derselben Stelle hin und her. »Was haben Sie?»fragte sie und legte zum erstenmal in den Ton ihrer Worte die anmutige Sorge, die die Frauen für einen Menschen an den Tag legen, der der ihre ist. »Nur Gutes«, antwortete er. »Wenn der Geist ein ganzes Leben voller Glück vor sich liegen sieht, ist er wie geblendet, und die Seele ist wie bedrückt. Warum bin ich der glücklichste Mensch?« fragte er fast melancholisch. »Aber ich weiß warum.«
Eva sah David mit koketter und zweifelnder Miene an, die von ihm eine Erklärung verlangte.
»Teure Eva, ich empfange mehr, als ich gebe. Und ich liebe Sie immer mehr, als Sie mich, weil ich mehr Grund habe, Sie zu lieben: Sie sind ein Engel, und ich bin ein Mensch.«
»Ich kann mich nicht so gut ausdrücken«, antwortete Eva lächelnd. »Ich liebe Sie recht sehr...«
»Ebensosehr wie Lucien?« unterbrach er sie.
»Genug, um Ihre Frau zu sein, um mich Ihnen zu weihen und zu versuchen, Ihnen in dem Leben, das wir zusammen führen werden und das im Anfang recht schwierig sein wird, keinen Kummer zu bereiten.«
»Haben Sie bemerkt, teure Eva, daß ich Sie vom ersten Tag an, wo ich Sie sah, geliebt habe?«
»Was wäre das für eine Frau, die nicht weiß, wenn sie geliebt wird?« fragte sie.
»Lassen Sie mich also die Bedenken, die Ihnen mein angebliches Vermögen macht, zerstreuen. Ich bin arm, liebe Eva. Jawohl, es hat meinem Vater beliebt, mich zu ruinieren; er hat auf meine Arbeit spekuliert; er hat es gemacht wie viele sogenannte Wohltäter mit ihren Schuldnern. Wenn ich reich werde, wird es für Sie sein. Das ist nicht das Wort eines Liebenden, sondern eine Überlegung des Denkenden. Ich muß Sie in meine, an einem Menschen, der die Verpflichtung hat, ein vermögender Mann zu werden, recht großen Fehler einweihen. Mein Charakter, meine Gewohnheiten, die Beschäftigungen, die mir zusagen, machen mich ungeeignet zu allem, was Handel und Spekulation heißt; dabei können wir doch aber nur durch irgendeinen industriellen Betrieb reich werden. Wenn ich imstande bin, eine Goldmine zu entdecken, so bin ich seltsam ungeschickt darin, sie auszubeuten. Sie aber, die aus Liebe zu Ihrem Bruder sich zu den kleinsten Verrichtungen herabgelassen haben, die das Talent der Sparsamkeit, die geduldige Aufmerksamkeit des wahren Kaufmanns besitzen, Sie werden die Ernte heimbringen, die ich säen werde. Unsere Lage, denn seit langem fühle ich mich zu Ihrer Familie gehörig, bedrückt mir so sehr das Herz, daß ich Tage und Nächte darauf verwandt habe, eine Möglichkeit ausfindig zu machen, zu Vermögen zu gelangen. Meine Kenntnisse in der Chemie und die Beobachtung der Bedürfnisse des Handels haben mich auf den
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