Verlorenes Spiel
der vergangenen Nacht.
»Die
Geschichte gestern abend tut mir leid«, sagte sie trocken. »Der Doktor
behauptet, es sei mein Herz. Aber er ist ein Quatschkopf. Es war einfach eine
gefühlsmäßige Reaktion auf die Dinge. Was für Fortschritte haben Sie gemacht,
Lieutenant?«
»Wußten
Sie, daß Ihre Tochter mit einem Mann namens Amoy verkehrte?« fragte ich sie.
»Duke Amoy, einen Nachtclubbesitzer in Pine City?«
»Da
Sie bereits Bescheid wissen, sehe ich keinen Grund, es zu verschweigen«, sagte
sie schroff. »Ich kann mich doch darauf verlassen, daß die Zeitungen nichts
davon erfahren, Lieutenant?«
»Es
geht nichts über Verläßlichkeit«, sagte ich.
»Wenn
die Zeitungen etwas davon erfahren sollten, mache ich Sie persönlich dafür
verantwortlich, Lieutenant«, sagte sie grimmig.
»Ich
habe Amoy vernommen«, sagte ich zu ihr. »Er hat für die Zeit des Mordes ein
Alibi.«
»Ja?«
Sie schien nicht sonderlich interessiert.
»Mrs.
Randall«, sagte ich leise, »wußten Sie, daß Ihre Tochter in anderen Umständen
war?«
Sie
starrte mich einen Augenblick lang ausdruckslos an, dann wandte sie langsam den
Kopf und blickte auf das Porträt über dem Kamin. »Das dort war mein Mann«,
sagte sie. »Stuart Randall.«
Diesmal
sah ich mir das Ölbild genau an. Stuart Randall mußte Anfang Fünfzig gewesen
sein, als er dem Künstler zu diesem Porträt gesessen hatte. Ein grauhaariger,
schwerer Bursche, und der Künstler hatte sein Bestes getan, um ihm das Air des
großen Konzernchefs zu geben. Trotzdem hatte Randall auf dem Bild mehr von Capone
als von Carnegie. Die blauen Augen waren ein bißchen zu bösartig, die dünnen
Lippen zu verkniffen und die Hände mit den kurzen, eckigen Fingern waren zu
brutal.
»Er
war ein großer Mann«, sagte Lavinia Randdall sanft.
»Ein großer Mann, Lieutenant. Er war es, der dafür sorgte, daß der Name der
Randalls in Südkalifornien einen Klang bekam. Er verlieh dem Namen Würde und
Respekt. Ich will nicht, daß sich daran auch nur das geringste ändert. Nicht
das geringste! Ich werde nicht dulden, daß die Erinnerung an ihn beschmutzt
wird. Habe ich mich klar ausgedrückt, Lieutenant?«
»Glasklar«,
versicherte ich ihr. »Glasklar. Wie Kristall.«
Sie
sah mich erneut mit all der Wärme eines Weibes an, die ihren Geschiedenen eher
mit einem im Busen verborgenen Fleischermesser als mit verzeihendem Herzen
besucht. Mrs. Randall hatte die Sorte Busen, in dem man ohne weiteres ein
Fleischermesser hätte verbergen können.
»Nein«,
sagte sie schließlich. »Ich wußte nicht, daß Alice in anderen Umständen war.
Und ich will auch jetzt nichts davon wissen — ich glaube es nicht, und ich habe
nicht die Absicht, es zu glauben. Es ist eine böswillige Lüge.«
»Ich
werde es Doktor Murphy sagen«, bemerkte ich. »Vielleicht werden Sie sich von
einem Mediziner eher überzeugen lassen.«
Sie
beantwortete meine Bemerkung mit einem ungeduldigen Schulterzucken. »Meine
Tochter wurde von einem Geisteskranken ermordet, Lieutenant«, sagte sie kurz.
»Ein Geisteskranker, der aus reinem Zufall in unser Haus kam. Ein
Geisteskranker, der ohne Sinn und Verstand meine jüngste Tochter zu seinem
Opfer machte.«
»Sie
scheinen dessen sehr gewiß zu sein«, sagte ich.
»Es
gibt keine andere Erklärung dafür«, sagte sie mit unerschütterlicher
Überzeugung. »Ich hoffe zuversichtlich, daß Sie ihn verhaften, Lieutenant. Nur
scheint mir, daß Sie dabei nicht richtig vorgehen.«
»Haben
Sie einen besseren Vorschlag?« fragte ich sie. »Zum Beispiel, daß ich mich auf
die Socken machen soll, um einen Geisteskranken zu erfinden?«
»Zunächst
sollten Sie alle Nervenkliniken überprüfen«, fuhr sie fort, meine Frage
beiseite schiebend, als sei sie nie ausgesprochen worden. »Und danach die
staatlichen Irrenanstalten und die Gefängnisse. Ich bin sicher, daß Sie
herausfinden werden, daß ein dazu fähiger Geisteskranker aus einer dieser
Institutionen kürzlich entlassen worden ist. Solche Verbrechen werden andauernd
von Geisteskranken verübt.« Ihre Stimme begann, selbstzufrieden zu klingen.
»Meiner Meinung nach sollten sie alle schon beim erstenmal, wenn sie mit dem
Gesetz in Konflikt kommen, in die Gaskammer geschickt werden. Damit würden
diese Tragödien aus der Welt geschafft.«
»Und
zugleich Bevölkerungsprobleme geschaffen«, sagte ich. »Das Land würde endlich
wieder weit und menschenleer werden.« Ich stand auf. »Nun, jedenfalls vielen
Dank für Ihren Rat.«
Sie
beobachtete
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