Vermächtnis des Pharao
müssen, während Huy Gerichtsschreiber geworden war. Huys Ehescheidung hatte seinen Groll besiegelt.
»Ich weiß nicht, weshalb du zu mir kommst, wenn du Hilfe brauchst. Mir scheint, du hast unsere Familie immer verachtet.«
»Das stimmt nicht.«
»Warum hast du Aahmes dann verlassen?«
»Du weißt, warum. Es war einfach gestorben. Sie wollte die Scheidung so sehr wie ich.«
»Na, nun bist du erledigt.«
Tehuty wandte sich wieder den Schriftrollen zu, die er auf einem Regal zu ordnen hatte, und schob sie mit nervösen, knochigen Händen hin und her. Einige darunter waren hundertfünfzig Jahre alt, trocken und brüchig.
»Ich freue mich, daß es doch auch Vorteile hat, einfacher Archivar zu sein.«
»Aber auch du bist hergekommen.«
»Mir hat man Gelegenheit zum Widerruf gegeben.«
Huys Schwager hatte einen neuen Einfall.
»Nicht wichtig genug, um nicht behalten zu werden, könnte man wahrscheinlich sagen«, fügte er mit neuerwachter Bitterkeit hinzu. »Aber ich habe nie geglaubt, daß die Theorie von dem einen einzigen Gott etwas anderes als Wahnwitz sein könnte.«
Huy versuchte es anders. »Was für Veränderungen gibt es denn? Wie werden sie aussehen?« Tehuty hatte vielleicht keine besondere Karriere gemacht, aber er war krankhaft mißtrauisch und eifersüchtig dazu, und seine Neugier war unersättlich; diese Eigenschaften, gepaart mit einem hochentwickelten Gefühl für Selbsterhaltung und einer natürlichen Unterwürfigkeit, machten ihn zum perfekten Spion. Wenn er intelligent gewesen wäre, hätte ihn vielleicht jemand als solchen beschäftigt.
Huy sah, daß Tehuty beschlossen hatte, den Mund zu halten. »Ich weiß es nicht, und wenn ich es wüßte, würde ich mich kompromittieren, wenn ich es dir sagte.« Bei den letzten Worten senkte er die Stimme abrupt, und der nörgelnde Ton ging in ein rauhes Flüstern über, denn er hatte Schritte vom anderen Ende des Archivs näher kommen hören. Sie hielten jedoch inne. Wer immer es war, hatte sich abgewandt und ein Dokument aus einem der Stöße in der Nähe des Eingangs konsultiert. »Warum sprichst du nicht mit deinen alten Freunden, falls du noch welche hast?«
Diese Bemerkung traf ins Schwarze, in den zwei Tagen seit Maiherpris Besuch hatte Huy nur sehr wenig in Erfahrung bringen können - nur, daß drei oder vier Schreiber, darunter sein früherer Chef, von denen er wußte, daß er ihnen vertrauen konnte, nicht mehr in ihren Häusern oder aber unter Bewachung und deshalb unerreichbar waren.
»Ich habe gehört, daß neue Edikte veröffentlicht werden sollen. Weißt du wenigstens, wann die Proklamationen stattfinden sollen?« Huy bemühte sich, seine Worte mit Sorgfalt zu wählen. »Ich brauche wirklich Hilfe.«
»Aus einem anderen Grund würdest du auch nie zu mir kommen«, meinte Tehuty. Aber da er sich in einer Position der Überlegenheit sah, wurde er ein wenig freundlicher. »Ja, von den neuen Edikten habe ich auch schon gehört.«
»Und? Werden sie bei der Krönung verlesen werden?« Das war normal, aber soweit Huy wußte, war für Tutenchamuns Inthronisierung noch kein Termin festgesetzt worden.
Tehuty schaute angestrengt. Noch jemand war in das Archiv gekommen, hatte sich zu dem ersten Mann bei den Dokumentenstapeln am Eingang gesellt, und die beiden begannen ein Gespräch. Wenn er sie hören konnte...Wieder senkte er seine Stimme zu einem, wie er hoffte, verschwörerischen Flüstern. »Es wird keine Krönung geben, nur eine Investitur. Gleichzeitig wird ein Protektor berufen, bis der König alt genug ist, um selbst zu regieren.«
»Und wer wird das sein?«
»Kannst du dir das nicht denken? Haremheb natürlich - ich wage allerdings anzunehmen, daß es auf dem Papier eine Ko-Regentschaft zusammen mit Ay sein wird.«
»Man darf Ay nicht unterschätzen.«
»Es wird lange dauern, bis er sich von seinem Schwiegersohn reingewaschen hat.«
»Aber dann...«
»Du ziehst gern Schlußfolgerungen, nicht wahr? Bist du auch schon in der Frage, was du jetzt selbst anfangen wirst, zu einem Schluß gekommen?« Tehuty wollte ihn daran erinnern, daß sie keine Freunde waren. Er wollte sich von Huy nicht in eine Diskussion über die Zukunft verwickeln lassen.
Huy seufzte. »Kannst du mir sonst noch etwas erzählen?«
»Nein«, sagte Tehuty.
»Heißt das ,ja’, aber du willst es nicht sagen?«
Tehuty suchte eine große Schriftrolle aus und zog sie vom Regal; er hantierte so umständlich, daß an einem Ende Sand herausrieselte. Ein dicker Käfer,
Weitere Kostenlose Bücher