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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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unmöglich, eine solche Veränderung tatsächlich in Angriff zu nehmen, ebenso unmöglich wie ein Wohnungswechsel ohne Erlaubnis Höherstehender, des Systems, ja, letzten Endes des Pharao. Aber das Leben hatte alles in beunruhigender Weise verändert und inzwischen war Huy sogar - mit einem gewissen Vergnügen, das er sich nicht einzugestehen wagte - bereit, das eingewurzelte Gefühl von Status, den seine Arbeit mit sich brachte, wegzuwerfen. Sei ein Schreiber, auf daß deine Glieder schlank seien und deine Hand leicht müde werde, auf daß du nicht verlöschest wie eine Lampe, wie der, dessen Glieder weich sind, denn du hast nicht die Knochen eines Mannes in dir. Du bist groß und feingliedrig. Nähmest du eine Last auf sie zu tragen, so würdest du niedersinken, und deine Füße würden schleifen über die Maßen, denn du bist jämmerlich schwach, alle deine Glieder sind elend, und dein Körper ist schmächtig. Richte deinen Sinn darauf, ein Schreiber zu werden, denn das ist ein ausgezeichnetes Handwerk und gut geeignet für dich. Rufst du einen, so antworten tausend. Ungehindert wirst du auf der Straße einhergehen und kein Ochse sein, den einer dem anderen weitergibt. Du wirst anderen vorstehen. Etwas ähnliches hatte in einem der frühen Lehrbücher gestanden, aber Huy hatte an der Behauptung, es sei gut, einen weibischen Körper zu haben - als Nebenprodukt und Zeichen der Gelehrsamkeit -, nie Gefallen finden können. Er war unmodern klein und stämmig, und sein Körper war von Natur aus muskulös. Was die Aussicht betraf, einen zu rufen und tausend antworten zu hören und zudem ungehindert auf der Straße einherzugehen - diese Erfahrung hatte er nie gemacht, und jetzt schon gar nicht. Er war nicht länger Mitglied des exklusiven Clubs, den seine Lehrer ihm als letzte Ermunterung immer wieder vorgegaukelt hatten.
    Er gewöhnte sich an, zum Hafen hinunter zu spazieren; es war der einzige Teil der Stadt, in dem noch Betrieb herrschte, obwohl nur noch wenige Schiffe hier ihre Ladung löschten. Die Palmenholzpiers auf ihren Zedernpfählen trugen eine stetige Prozession kupferfarbener Männer von den Ländereien am Rande der Wüste, gekleidet in schmutzig-weiße Lendenschurze, die endlos Körbe voll Besitztümer an Bord der hohen Barken trugen für die Reise nach Süden oder andere Schiffe, die zur Küste hinauf oder von dort herunter fuhren, mit frischem Proviant ausrüsteten; Ladungen von Gold, Elfenbein und Granit gingen hier nach Norden, Zedern- und Ahornholz und Tura-Kalkstein nach Süden. Er hockte am Kai, und als die Matrosen und Schauerleute sich an ihn gewöhnt hatten, plauderte er mit ihnen oder spielte eine Partie Senet; er genoß ihre Gesellschaft als eine ganz neue Erfahrung und erfuhr den Tratsch des Flusses ohne die Formalitäten höfischer Politik. Aber als er einmal davon sprach, mit ihnen zu arbeiten, da reagierten sie mit einem Gelächter von so entschlossener Ungläubigkeit, daß er wußte, er mußte davon ablassen. Für einen Augenblick hatte er vergessen, daß er ein Außenseiter geworden war, denn nur ein Außenseiter konnte Tabus brechen, die im Laufe von hundert Generationen entstanden waren.
    Je weiter seine Lebensmittelvorräte schwanden, desto schmaler wurde er. Im ersten Monat des Schemu war er bei seinem letzten Sack Mehl und seinem letzten Krug Bier. Das kleine Haus war so freudlos, daß er nur noch zum Schlafen hinging. Wenige Leute lebten inzwischen in seiner Straße und er kannte sie nicht. Er stand vor der Wahl, sein Leben als Herumtreiber in den Docks fortzusetzen oder sich eine Arbeit zu suchen. Die zweite Möglichkeit war die einzig gangbare, und schon zwei- oder dreimal hatte er inzwischen seine paar Habseligkeiten und seine Schreiberpalette gepackt, ehe ihn bei dem Gedanken, fortzuziehen, wieder die Trägheit überkommen hatte.
    So wanderte er wieder einmal zum Hafen hinunter. Es war Abend. Er konnte erst am nächsten Morgen abreisen, sagte er sich. Egal, wohin er reisen wollte.
    Ein gewaltiges Seeschiff hatte festgemacht; es ließ den Anleger winzig erscheinen, wie es so, leicht beladen, flußaufwärts deutete. Ein Goldschiff auf der Rückreise.
    Er sah einen großen Mann im Wollmantel am Bug stehen, nur eine Silhouette vor der Sonne, die am anderen Ufer blutrot versank.
    Huy wollte sich seinen vertrauten Gefährten zuwenden, als die Gestalt auf dem Schiff seinen Namen rief.

Z WEI

    Huy erwachte vom Rufen der Bootsleute beim Ablegen. Er warf die leichte Decke ab, in die er

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