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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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abwehren.“
    Eine Weile schien es zu wirken, dann aber murmelte er: „Das kann niemand … niemand …“ Jäh sank er wieder in Bewusstlosigkeit.
    Verwirrt nahm Harriette das feuchte Tuch und kühlte erneut sein Gesicht und die von kaltem Schweiß bedeckte Brust. Wer mochte Marie-Claude sein. Seine Frau? Unwahrscheinlich, denn er schien die Frau nicht einmal persönlich zu kennen. Also auch nicht seine Geliebte. Aber Französin, dem Namen nach. War er ihretwegen in Port St Martin gewesen?
    Besorgt betrachtete sie ihn, doch er wirkte nun ruhiger und schien zu schlafen. Sie überlegte, ob sie ihn allein lassen könnte, wagte es aber nicht. Der Stuhl mit der geraden Lehne erwies sich als zu unbequem, um darin zu schlafen, und so stützte sie ihre verschränkten Arme auf den zusammengefaltet am Fußende liegenden Bettüberwurf, legte den Kopf darauf und döste ein wenig. So würde sie gewiss merken, wenn er sich regte. Es brauchte niemand zu wissen, dass sie die Nacht über bei ihm verharrte, und ganz bestimmt nicht dieser ihr imaginärer Liebster, der ihre Träume nicht kannte und sowieso gerade dem Hier und Jetzt entrückt war. Spöttisch verzog sie den Mund.
    Es wurde schon hell, und die Sonne stieg langsam über den Horizont empor, als der Mann erwachte. Harriette fühlte sich gefesselt von seinem offenen Blick, mit dem er sie unverwandt und forschend ansah. Seine Augen waren auffallend grau-grün und blickten, anders als noch in der Nacht, hellwach. So überaus selbstsicher, wie er sie betrachtete, strahlte er beträchtliche Willensstärke aus. Dieser Mann besaß eine natürliche Autorität, der selbst sein unbekleideter Zustand keinen Abbruch tat. Sie brachte es nicht fertig, seinem Blick auszuweichen, zwang sich aber trotz ihres inneren Erbebens zu einer undurchsichtigen Miene. Zumindest war sie geistesgegenwärtig genug gewesen, ihr Haar wieder unter der Strickmütze zu verstecken. Im Augenblick war ihr nicht nach einer Erklärung über ihr Geschlecht und ihre unbehütete Anwesenheit in seinem Schlafzimmer zumute.
    „Guten Morgen“, sagte sie leichthin.
    „Es geht mir besser“, war seine Antwort.
    „Was macht Ihr Kopf?“
    „Es geht. Aber meine Schulter tut höllisch weh.“
    „Sie haben da eine böse Prellung. Sind Sie hungrig?“
    „Ja“, sagte er, offensichtlich überrascht.
    „Ich werde Ihnen eine Suppe bringen lassen.“
    Er rieb sich mit der Hand über das Kinn, zog, als er die Stoppeln spürte, ein Gesicht, dann senkte er den Blick und musterte seinen bloßen Oberkörper. „Können Sie mir etwas zum Anziehen besorgen?“
    „Ja, aber Sie werden nicht begeistert sein. Hier in Old Wincomlee weiß man nichts von Mode, und ihre eigenen Sachen sind nicht mehr zu gebrauchen.“
    „Ich bin schon froh, dass ich überhaupt etwas anziehen kann – weil ich noch lebe!“
    Welch verblüffender Humor! Bisher verlief dieses Gespräch ja lächerlich unverfänglich, gerade so, als unterhielte man sich auf einer Gesellschaft im ton . Wenn sie jetzt nicht zur Sache kam, sondern sich feige zurückhielt, würde sie ihn gleich verabschieden, als wäre nichts Besonderes gewesen. Sie atmete tief ein und stürzte sich ins Gefecht. „Sind Sie ein Spion?“
    Damit war sein Humor dahin. „Ich bin kein Spion“, antwortete er ohne Zögern, doch selbst wenn er ein Spion wäre, würde er das wohl kaum zugeben. „Wie kommen Sie darauf?“
    „Marcel – unser Geschäftspartner auf französischer Seite – sagte, Sie hätten mit einem undurchsichtigen Individuum namens Jean-Jacques Noir zu tun.“
    Er runzelte die Stirn. „Ich kenne ihn, aber ich bin kein Spion.“
    „Marcel hält Noir für einen gemeinen Schuft.“
    „Das ist auch meine Meinung.“
    So führte das doch zu nichts! Fordernder fragte sie: „Wer ist Marie-Claude?“
    Mit raschem Blick in ihr Gesicht sagte er: „Ich weiß es nicht.“
    Trotzdem, der Name war ihm bekannt, denn ihm war sichtlich unwohl. Aber ihn zu drängen wäre nutzlos. Und letztendlich ging es sie ja nichts an. „Nun gut. Ich glaube Ihnen nicht, doch ich kann Sie nicht zwingen, es mir zu sagen – außer durch Folter!“ Sie ging zur Tür, sah sich dann noch einmal nach ihm um. „Wollen Sie mir wenigstens verraten, wie Sie heißen?“
    „Lucius Hallaston.“
    Das sagte ihr überhaupt nichts. Sie erhob sich, um hinauszugehen, war sich aber einer tiefen Enttäuschung bewusst, weil dieser Mann, der sie aus einem ihr unerklärlichen Grund so intensiv beschäftigte, kein Ehrenmann war.

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