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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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und Verdammnis! Das macht einen ja blind!“ Vorsichtig schob er den rechten Arm in das drachenstarrende Prachtstück, und da es ihm mit dem linken nicht gelingen wollte, legte ihm George den Rest der Jacke lose über die Schulter.
    „Ist nur geborgt. Gehört Sir Wallace. Das Hemd auch. Hat einen Blick für Mode, Sir Wallace.“
    „In der Tat! Danke jedenfalls. Wenn Sie mir nun noch ein Pferd und einen Reitmantel besorgen könnten, wären Sie mich los. Wenn ich Brighton erreiche …“
    Ablehnend schüttelte George den Kopf. „Ich glaub’, Sie sollten besser nicht reiten, Sir. Nicht, wo Sie so viel Blut verloren haben. Ich könnt Ihnen einen kleinen Ponywagen besorgen, vom Gasthof im Dorf – wenn Sie Geld haben“, fügte er verschmitzt hinzu.
    „Und da liegt der Haken. Aber ich werde mir was einfallen lassen.“ Nachdenklich rieb er sich über das frisch rasierte Kinn. „In Frankreich war ich mit einem Goldfuchs unterwegs.“
    „Der ist wohl jetzt da, wo Ihre übrige tragbare Habe auch geblieben ist.“
    Es klopfte sehr entschieden an der Tür, und herein stürmte ein ziemlich aufgeregter Mann. Ohne höfliche Umschweife, mit wütend funkelnden Augen, grollte er: „Also stimmt es, was im Dorf herumgetragen wird!“ Er stampfte herein, knallte die Tür hinter sich zu und fuhr dann fort: „Was sehe ich? Ein namenloser, ehrloser Piratenschuft macht sich hier breit, noch dazu in meiner eigenen Hausjacke?“
    Lucius widerstand der Versuchung, ob dieses Eindringens Erstaunen zu zeigen, und bemühte sich, nicht scharf zu antworten. Das würde zu nichts führen. Der Gentleman – denn das war er trotz seiner beklagenswerten Manieren – mochte fünfunddreißig sein, also etwas älter als er selbst, und war in einen knöchellangen, mit unzähligen Schultercapes versehenen Mantel gehüllt, was seine kurze, rundliche Gestalt noch betonte. Sein breites Gesicht mit dem rötlichen Teint legte Zeugnis davon ab, dass er mit dem Inhalt geschmuggelter Cognacfässer bestens vertraut war. Als George sich unbehaglich räusperte, wusste Lucius, wer da eingetreten war. Das also war Sir Wallace, der Herr mit dem zweifelhaften Kleidungsgeschmack. Und mit zweifelhaften Manieren. Auch wenn er hier nur Gast war, so schätzte Lucius die offene Feindseligkeit genauso wenig wie den Mangel an Erziehung.
    „Ich muss um Entschuldigung bitten, Sir“, entgegnete er, sich langsam erhebend. Kühl und sehr knapp nickte er. Er würde sich nicht zu Unhöflichkeiten hinreißen lassen, aber er würde, bei Gott, auch solch miserables Auftreten nicht hinnehmen. „Die Gerüchte, deren Inhalt Sie sich so rasch zu eigen machten, sind nicht korrekt. Ich bin kein Pirat; ich war in Frankreich unterwegs, ein unschuldiger, harmloser Reisender, und wurde überfallen und beraubt. Zu meinem Glück retteten mich einige im Freihandel tätige Gentlemen.“ Nun hob er ganz bewusst hochmütig die Brauen. „Mir war nicht klar, dass das allein mir die Bezeichnungen ehrlos und Schuft anhängen könnte.“
    „Nein?“ Sir Wallace ließ sich nicht unterkriegen. „Was streunt ein gesetzestreuer Engländer in einem französischen Hafen herum, wenn nicht zum Schaden seiner Heimat, da die Franzosen doch unser eingeschworener Feind sind und unsere tapferen Truppen vielleicht sogar gerade gegen sie in Spanien eine Schlacht austragen?“
    „Eine unaufschiebbare Angelegenheit meine Familie betreffend, für Sie aber von keiner Bedeutung, Sir.“ Immer noch musterte er den Mann mit arrogantem Blick. Er hatte genug davon, seinen Charakter weiterhin verunglimpft zu hören. „Da ich mich anscheinend gerade eines Ihrer prachtvollen Gewänder bediene, muss ich Ihnen meinen Dank abstatten. Ich hätte mir nicht die Freiheit genommen, wenn mein eigenes Jackett nicht unrettbar ruiniert wäre. Wollen Sie vielleicht so gut sein und mir Ihren Namen nennen, Sir?“
    „Lydyard, Sir Wallace Lydyard.“
    Mit eisiger Höflichkeit neigte Lucius erneut kaum merklich den Kopf, eine tödliche Geste, die Anmaßung und Flegelhaftigkeit in ihre Schranken wies. „Um Missverständnisse zu vermeiden, erlauben Sie mir, mich vorzustellen, Sir: Ich bin Lucius Hallaston, Earl of Venmore.“
    „Venmore!“
    „So ist es.“
    Nervös leckte Sir Wallace sich die Lippen. „Mylord …“ Ausnahmsweise genoss Lucius mit boshafter Freude, welche Wirkung sein gehobener Stand zeigte.
    „Vielleicht war ich etwas voreilig.“ Wallace lief rot an. „Sie müssen verstehen – die Umstände, Ihr Aufenthalt hier

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