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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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auf Lydyard’s Pride …“
    „Ich war bewusstlos, als man mich herbrachte. Eine Schusswunde …“
    Ein unangenehm räuberischer Funke glühte plötzlich in Wallaces Augen, und sein Blick huschte zu Gadie. „Waren Sie die ganze Nacht hier, Gadie, und haben sich um Seine Lordschaft gekümmert?“
    George trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Nein, Sir Wallace.“
    „Sie waren nicht hier im Hause?“
    „Nein, Sir, der Captain sagte, ich solle heimgehen.“
    „Dann hat man mir also keine Märchen erzählt.“ Sir Wallace klang glatt und selbstgefällig. „Meine Schwester blieb hier über Nacht.“
    „Aye, Sir Wallace.“
    Lucius schwieg; er konnte sich nicht erklären, worum es hier ging, besonders nicht, da Lydyard ihn seltsam abschätzend musterte.
    „Es scheint Ihnen inzwischen wieder recht gut zu gehen, Mylord.“
    „Gut genug, um mich verabschieden zu können“, entgegnete er knapp. Mit einem Mal herrschte eine seltsame Stimmung im Raum. Doch seine Geduld war am Ende, ein Earl of Venmore war derartige Impertinenz nicht gewohnt!
    „Wie ich meine Schwester kenne, hat sie die Nacht hier bei Ihnen, in diesem Raum, zugebracht.“
    Lucius hatte das Gefühl, ihm fahre ein kalter Lufthauch über die Haut. „Ihre Schwester, Sir? Ich weiß nichts von Ihrer Schwester.“
    Ärgerlich schnaufend ging Sir Wallace zur Tür, riss sie auf und bellte auf den Gang hinaus: „Jenny! Sag meiner Schwester, ich wünsche sie auf der Stelle hier zu sehen!“ Als er eine gedämpfte Antwort vernahm, blieb er, die Arme verschränkend, am Türpfosten stehen.
    Derweilen kramte Lucius in seinen nicht ganz zusammenhängenden Erinnerungen. Doch, Jenny, die Magd, stand ihm gut vor Augen. Aber Lydyards Schwester? „Wie gesagt, Sir, soweit ich mich an letzte Nacht erinnern kann, habe ich mit Ihrer Schwester keine Bekanntschaft geschlossen.“
    Sir Wallace spielte hervorragend den Ungläubigen. „Glauben Sie, aufgrund Ihrer hohen Geburt und Ihres Titels dürfen Sie meine Schwester kompromittieren? Sie verbrachte die ganze Nacht mit Ihnen, hier, in diesem Schlafzimmer! Ihre Ehre ist befleckt. Befleckt!“, wiederholte er mit Genugtuung. „Wie sorgsam sie auch erzogen ist und wie hervorragend ihre Abstammung, so ist sie doch unverheiratet und, von mir selbst abgesehen, schutzlos. Was ist mit ihrem Ruf? Ich hatte eine Ehe für sie arrangiert, doch wenn der Bräutigam von dieser Sache erfährt, wird er mit Sicherheit verzichten, Mylord.“
    „Soweit ich mitbekam, wurde ich von dem Kapitän der Schmugg…, äh, des Seglers gepflegt, der mich gerettet hatte. Harry Lydyard, Ihr Bruder.“
    „Ha, Mylord, Sie brauchen sich gar nicht so zu verstellen!“
    Auf dem Gang ertönte ein leichter Schritt, und Sir Wallace riss die Tür weit auf. „Komm herein, komm nur, liebe Schwester; ein Skandal droht, und du steckst mittendrin. Ich hätte es mir denken können!“
    So übertrieben betroffen der Ton des Baronets war, klang er doch nicht besorgt, wie man es von einem Bruder erwarten konnte, sondern eher wie ein strenger Richter. „Schon wieder hast du den Ruf der Lydyards aufs Spiel gesetzt und überlässt es nun mir, die Sache auszubügeln.“
    Eine junge Frau trat über die Schwelle.
    Das also war die Schwester. Lucius musterte sie flüchtig. Gott sei Dank glich sie nicht ihrem Bruder, dennoch war sie nur ein unscheinbares, von Stadtflair unbelecktes Mädchen. Allerdings groß für ein weibliches Wesen, mit dunklem, unmodisch langem Haar, das nur teilweise von einem Band gehalten wurde und ansonsten in ungezähmten Locken über ihre Schultern fiel. Eine hübsche Figur, schlank und gut proportioniert. Angenehme Züge, ein ovales Gesicht mit dunklen, geschwungenen Brauen und gerader Nase, ein energisches Kinn und Lippen, die sie jetzt streng zusammenpresste. Niemals hätte Lucius hier eine Verwandtschaft zu Sir Wallace vermutet, allerdings wehrte sie sich nicht gegen die an sie gerichteten harten Begrüßungsworte. Sie trug ein hochgeschlossenes bräunliches Gewand mit altmodisch weitem Rock.
    Wie Lucius sich eingestehen musste, hätte er der jungen Frau, die man im besten Fall für eine Gouvernante halten konnte, in einem eleganten Salon in Mayfair keinen zweiten Blick gegönnt. Dennoch trug sie Selbstbewusstsein zur Schau, und ihre Haltung war, im Widerspruch zu ihrer bescheidenen Kleidung, von schlichter Vornehmheit. Möglicherweise, weil sie kein Schulmädchen mehr war, sondern eine erwachsene Dame von mehr als zwanzig Jahren. Sie

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