Vermählung um Mitternacht
stumm. Höchst befriedigt, dass sie ihren Schutzbefohlenen zum Schweigen gebracht hatte, rauschte die Haushälterin fröhlich summend aus dem Raum. Alec schloss die Tür so heftig, dass Julia zusammenzuckte.
Betretenes Schweigen erfüllte das Zimmer. Julia räusperte sich. »Interessante Dienstboten hast du da.«
Seufzend lehnte Alec sich gegen die Tür und verschränkte die Arme vor der Brust. »Keiner von ihnen hat begriffen, dass ich nicht länger ein Kind bin.«
»Sie mögen dich eben.«
»Eine solche Zuneigung kann einen schier umbringen.«
»Ich finde sie reizend.«
»Du hast Burroughs noch nicht kennen gelernt, den Butler meines Großvaters. Er wartet jede Nacht auf mich und serviert mir ein Glas warme Milch.«
Bei dem Gedanken an warme Milch presste sie die Hand auf den Magen. »Und, trinkst du sie?«
»Nie. Ich gieße sie immer zum Fenster hinaus.« Um seine Mundwinkel begann es zu zucken, und um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. »Der Pflaumenbaum im Garten stirbt einen langsamen und qualvollen Tod.«
Julia lächelte schwach. »Ich würde lieber an warmer Milch zugrunde gehen als an Rum. «
Sein Gesicht wurde weich. »Trink den Rum, und iss etwas. Danach geht es dir besser.«
»Ein Bad wäre auch nicht schlecht.«
»Aber nicht zu lange. Wir müssen heute noch zum Anwalt und ihm den Beweis für die Eheschließung präsentieren.« Er öffnete die Tür. »Ich erwarte dich mittags im vorderen Salon.«
Er wollte schon den Raum verlassen, als sie ihn zurückrief: »Alec, wohin gehst du?« Sie bedauerte ihre Worte, sobald sie sie geäußert hatte.
Sein Rücken wurde steif. »Dir mag die Hälfte meines Vermögens gehören, meine Liebe, aber mich besitzt du nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Ich wollte doch nicht...«
»Wir sehen uns um zwölf im vorderen Salon.« Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum und schloss energisch die Tür hinter sich.
Julia stiegen Tränen in die Augen. Blind griff sie nach einem der Gläser mit Rum und schluckte. Der Alkohol lief ihr wie Feuer die Kehle hinab und vertrieb Tränen und Übelkeit. Sie leerte das Glas, stellte es zurück und nahm das andere.
Durch einen Spalt im Vorhang fiel ein Sonnenstrahl auf den Rum und brachte ihn zum Leuchten. Die Schönheit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit hatte etwas Hypnotisches.
Mit größter Willensanstrengung stellte Julia das Glas wieder auf den Tisch und rieb sich die Stirn. »Auch wenn er noch so schön leuchtet, hinterher schmerzt mir der Kopf umso mehr.«
Fast wie bei Alec. Seine Gesellschaft war das Schönste, das Aufregendste, was ihr je zuteil geworden war. Aber wie bei dem bernsteinfarbenen Glitzern hatte auch dies seinen Preis. Obwohl sie es nicht wollte, wusste sie, dass sie Gefahr lief, seinem dunklen Charme zu erliegen. Und nichts würde ihn rascher verscheuchen als irgendein törichtes Theater ihrerseits.
Der attraktive Viscount war ihr ein Rätsel. Trotz seines lasterhaften Lebenswandels hatte er sich als Ehrenmann erwiesen. Nichts sonst konnte erklären, warum er letzte Nacht auf dem Sofa geschlafen oder warum er den lästigen Dienstboten gestattet hatte, bei ihm zu bleiben.
Darin liegt das Problem, entschied Julia. Der »Teufel« Hunterston, den sie aus der Ferne angeschmachtet hatte, stellte keine Gefahr dar, da er für sie unerreichbar war. Doch Alec MacLean, der heimlich warme Milch aus dem Fenster goss, um einen ältlichen Dienstboten nicht zu verletzen, war etwas ganz anderes. »Etwas ganz, ganz anderes«, bekräftigte sie laut.
Julia schob die Schüssel weg und stand auf. Sie würde ihr Herz eben unter strenger Kontrolle halten müssen. Sie durfte sich die Gelegenheit, so vielen verzweifelten Frauen helfen zu können, wegen einer albernen Vernarrtheit nicht entgehen lassen. Sie würde ihren Tee trinken, ein Bad nehmen und, bis die Uhr die Mittagsstunde schlug, ihre fünf Sinne wieder beisammen haben.
Nicht, dass ich groß die Wahl hätte, dachte Julia ironisch. Schließlich habe ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.
4. KAPITEL
»Du siehst nicht gerade aus wie einer, der eben den Bund fürs Leben geschlossen hat«, sagte eine wohl bekannte Stimme schleppend.
»Lucien! « rief Alec aus.
Lucien Devereaux, der berüchtigte Duke of Wexford, lehnte an der Tür der Bibliothek, eine nicht angezündete Zigarre zwischen den Lippen. Er betrachtete Hut und Mantel, die Burroughs Alec soeben überreicht hatte. »Du gehst aus?«
»Ja, ich wollte zu dir. Ich bin höllisch froh, dass du
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