Vermählung um Mitternacht
in ihr gerade einen langsamen, schmerzhaften Tod starb.
»Verdammt! Wo bleibt Chilton mit dem Rum?«
Alec klang zornig, aber auch deutlich besorgt. Sie wünschte, er würde etwas Böses oder Verderbtes tun, damit sie eine Waffe gegen ihre ungezügelten Gefühle in der Hand hätte.
Stattdessen jedoch strich er ihr sanft über das wirre Haar. »Soll ich jemanden für dich kommen lassen?«
»Nein«, antwortete sie elend, »außer dir gibt es doch niemanden.«
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich meinte eine Zofe.«
»Oh.« Ihre Wangen brannten darauf noch mehr, und sie fragte sich, ob man wohl vor Scham sterben könne. Zum Henker mit dem Mann, in dessen Nähe sie sich so unbehaglich fühlte. Sie atmete tief durch und hob den Kopf. Wenn sie schon sterben sollte, wollte sie sich dabei nicht im Bett verkriechen wie eine dumme Gans. Sie bot all ihre Selbstbeherrschung auf und erklärte mit zittrigem Lächeln: »Ich glaube, es geht mir schon besser.«
Er musterte sie und zog ungläubig eine Braue hoch. »Wir sollten deiner Tante eine Botschaft schicken. Sicher macht sie sich bereits Sorgen. «
Weder Tante Lydia noch Therese würde mehr tun, als über die Unbequemlichkeit zu klagen, die ihre Abwesenheit mit sich brachte, doch fühlte Julia sich außer Stande, ihm das zu erklären. Er würde ihr nur sein Mitgefühl zeigen, und dann bräche sie vollends zusammen.
»Ich werde einen Brief an deine Tante schreiben«, kündigte er abrupt an. »Mir ist klar, dass das alles sehr unangenehm ist. Ich möchte nicht, dass du leidest.«
Als sie die Sorge in seiner Stimme hörte, kamen ihr die Tränen, worauf sie sich schnell die Decke über das Gesicht zog.
»Verdammt!« fluchte er wieder. »Wo bleibt Chilton?« Alec ging vom Bett weg.
Mit angehaltenem Atem wartete Julia darauf, dass er den Raum verließ. Stattdessen kehrte er zu ihrem Schrecken ans Bett zurück. Er schob ihr eine Schüssel hin. »Hier.«
Sie ließ die Decke sinken, um die Schüssel zu nehmen, und schaute direkt in Alecs erstaunliche silbergraue Augen. Er war so attraktiv, wie er auf sie hinunterlächelte, mit dieser schwarzen Locke, die ihm in die Stirn fiel. Sie vergaß ihre Tränen. »D...danke«, stammelte sie.
Mit einem leisen Lächeln musterte er sie, betrachtete dabei eingehend ihre Lippen, bevor sein Blick zu ihrem Haar wanderte, das sich ungeordnet über eine Schulter ergoss.
»Der Rum, Mylord«, verkündete Chilton, der steifbeinig an der Tür aufgetaucht war und ein Tablett mit zwei Gläsern präsentierte. In jedem war ein Schlückchen Rum.
»Ich habe eine Flasche bestellt«, beschwerte sich Alec.
Der Diener straffte die Schultern. »Bestimmt wollten Sie nicht mehr trinken als einen Schluck, Mylord. Vor allem, wo Mylady noch nicht mal aufgestanden ist. «
Julia guckte kurz zu ihrem Mann hin. Alec fing ihren Blick auf und sagte: »Ich hätte euch vorstellen sollen. Lady Hunterston, das ist Chilton, mein Kammerdiener. Ich habe ihn von meinem Großvater geerbt.«
Es dauerte einen Moment, bis Julia begriff, dass sie ja Lady Hunterston war. Sie lächelte schwach.
Chilton beugte sich mit verkniffenem Gesicht zu ihr vor. Einen schrecklichen Augenblick glaubte sie, er fange gleich an zu weinen. »Mylady, gestatten Sie, dass ich Ihnen als Erster sage, wie sehr wir uns alle auf den Tag gefreut haben, da ... «
»Master Alec!«
Alle sahen zur Tür, wo eine rundliche Frau in einem adretten dunklen Kleid aufgetaucht war, ein üppig beladenes Tablett in den Händen, und Julia anstrahlte. Der mächtige Schlüsselbund an ihrer Taille verriet, dass es sich um die Haushälterin handelte. Sie knickste so eifrig, dass ihre messinggelben Locken auf und ab wippten. »Ich bringe Ihnen das Frühstück, Mylord. Ich dachte, Sie und Ihre Gemahlin wollen es sich vielleicht gemütlich machen und es gleich hier einnehmen.«
Die Haushälterin stellte das Tablett auf das Tischchen am Kamin. Der durchdringende Duft von Räucherspeck breitete sich im Raum aus, worauf Julia die Schüssel fester umklammerte.
Chilton stellte sein Tablett mit einem hörbaren Klirren auf dem Nachttisch ab, die Lippen missbilligend zusammengepresst. »Mrs. Winston, ich habe Ihnen doch mitgeteilt, dass Seine Lordschaft es vorzieht, das Frühstück im Morgenzimmer einzunehmen.«
Die Haushälterin verzog das Gesicht. »Durchaus. Doch nachdem Seine Lordschaft ja frisch verheiratet ist, hielt ich es für besser, das Frühstück hier zu servieren.« Die Haushälterin stemmte die Hände in die
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