Vermaehlung um Mitternacht
Arme um ihre Taille geschlungen.
An diesem Punkt rief sich Julia meist energisch zur Ordnung, damit sie nicht in Tränen ausbrach.
Geistesabwesend stolperte sie über die unterste Treppenstufe, und die Bücher fielen zu Boden, als sie versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Starke Hände schlossen sich um ihre Taille. „Immer langsam, meine Liebe“, murmelte eine tiefe Stimme.
Julia klammerte sich an der breiten Brust fest und blickte mit hämmerndem Herzen auf.
Es war aber nicht Alec. Stattdessen sah sie in das lächelnde Gesicht des Earl of Bridgeton. Sie errötete und löste sich von ihm. Ihr war bewusst, dass sie sich unschicklich lange auf ihn gestützt hatte. „Verzeihung. Ich dachte, Sie seien jemand anderes.“
Das amüsierte Glitzern in seinen Augen verstärkte sich. „Wirklich?“ Er gab sie frei und sammelte die verstreuten Bücher auf, wobei er die Titel betrachtete. „Romane, Lady Hunterston? Das überrascht mich.“
„Sollte es aber nicht. Ich habe schon als Kind lesen gelernt.“ Sein wohlgeformter Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Das habe ich nicht gemeint.“ Er legte den Kopf schief und musterte sie nachdenklich. „Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet Sie romantisch veranlagt sind.“
„Unsinn.“ Sie nahm ihm das letzte Buch ab. Bevor Julia Lady Birlington kennen gelernt hatte, war ihr Interesse für Romane in der Tat nicht sehr groß gewesen, doch nun hatte sie entdeckt, dass es Spaß machte, eine Geschichte zu lesen, bei der man ziemlich sicher sein konnte, dass sie gut ausging. „Auf die eine oder andere Art sind doch alle Leute romantisch.“
„Niemand würde mich als romantisch bezeichnen. Als lüstern vielleicht, aber doch nicht als romantisch.“ Mit sinnlicher Lässigkeit setzte er den Kastorhut auf sein glänzendes blondes Haar. Seine Bewegungen waren so anmutig wie die einer Schlange.
Seiner Männlichkeit haftete etwas Lockendes, Verbotenes an, fast als stünde sein makelloses Äußeres in ständigem Widerstreit mit seiner schwarzen Seele. Ein Anflug von Mitleid verscheuchte ihren Ärger. „Vielleicht sollten Sie es auch einmal mit einem Roman versuchen. Liebe ist gut für die Seele.“
Er guckte sie ungläubig und amüsiert an. „Die Liebe ist eine Illusion.“ Er schaute sich auf der Straße um. „Apropos, wo ist denn mein Nichtsnutz von Vetter?“
Umgehend verflüchtigte sich jedwedes Mitleid. „Alec ist kein Nichtsnutz.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Ach ja. Ihnen liegt ja im Moment sehr viel an ihm, weil er Ihnen nützlich sein kann. Sagen Sie, meine Liebe, haben Sie sich ihm mit Absicht in den Weg gestellt, oder war es einfach Schicksal?“
Julia bemerkte den gehässigen Ton in seiner kultivierten Stimme und beschloss, dass es ihr jetzt reichte. „Anscheinend hat es Sie ziemlich verstört, dass Sie ausgestochen wurden. Ich kann es Ihnen nicht verdenken, schließlich handelt es sich um eine ganze Menge Geld.“
Eine leichte Falte erschien zwischen Nicks Augen, obwohl er nicht aufhörte zu lächeln. „ Touche , meine Liebe. Darf ich fragen, was Alec mit dem Geld vorhat?“
Julia hoffte, dass Nick ihr den Weg frei machen würde. Sie wollte heute zum Anwalt gehen, um ihre Unterschrift unter die endgültige Übertragung auf die Vereinigung zu setzen. Ihre Tage mit Lady Birlington waren so angefüllt mit Morgenbesuchen, Anproben, Tanzstunden und anderen albernen Dingen, dass sie die wöchentlichen Zusammenkünfte der Vereinigung auf einen unpassend frühen Termin hatte vorverlegen müssen. Alle hatten sich beschwert, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Jetzt brauchten sie nur noch eine zündende Idee, welche Manufaktur sie gründen sollten. Lord Kennybrook hatte eine Wurstfabrik vorgeschlagen, doch Julia konnte sich nicht vorstellen, dass die Frauen eine so unangenehme Arbeit verrichten wollten. Unglücklicherweise fiel keinem etwas anderes ein, so dass sie im Moment an einem toten Punkt angelangt waren.
Julia fing Nicks neugierigen Blick auf und errötete. „Alec macht mit seinem Geld genau das, was er will.“ Ebenso wie sie mit ihrem Geld.
„Tatsächlich? Da bin ich mir nicht so sicher.“
Ihre Hand krampfte sich fester um das Buch. Am liebsten hätte sie es ihm um die Ohren geschlagen, bis sich der Titel, „Der böse Ritter von Theben“, in seine Wange geprägt hätte. Es war äußerst frustrierend, aber sie musste sich damit begnügen, das Kinn zu recken und zu erklären: „Alecs Angelegenheiten gehen Sie nichts an,
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