Vermaehlung um Mitternacht
„Das glaube ich gern. Aber es wäre sehr unfair von dir, wenn du jetzt noch auf neuen Bedingungen bestehen würdest.“
Sein Zorn flammte erneut auf. „Wenn du mit deinen Ausflügen nach Whitechapel einen Skandal auslöst, meine Gute, habe ich jedes Recht, neue Abmachungen zu fordern.“
Julia rümpfte die Nase. „Es wird aber keinen Skandal geben. Schließlich helfe ich nur ein paar weniger begünstigten Menschen. “ Mit Absicht drohend, beugte Alec sich vor und legte eine Hand auf ihr Knie. „Und wenn doch?“
Ihre Hand krampfte sich um ihr Retikül. „Wenn ich aus irgendeinem unerfindlichen Grund doch einen Skandal auslösen sollte, kennen wir erneut verhandeln.“ Sie wandte sich ab und schaute aus dem Fenster.
Alec grinste, über die Maßen stolz. Er hatte sich zwar mehr erhofft, aber von einer Frau wie Julia war es durchaus genug - sie platzte ja förmlich vor tugendhaftem Ehrgefühl und würde ihr Versprechen in jedem Fall halten.
Julia war die aufregendste Herausforderung, der er je begegnet war. Er brannte darauf, ihre schmale Taille zu umfassen und sie auf den harten Ledersitz zu ziehen, stellte sich vor, wie er ihre so praktischen Röcke hochheben würde, ihre zarten Schenkel teilen und jeden Zoll ihres entzückenden Körpers genießen würde.
Alec unterdrückte das Stöhnen, das ihm bei diesen erhitzten Visionen in die Kehle stieg. Gott, er brauchte etwas zu trinken. Und außerdem seinen Hut.
Als er sich vorbeugte, um ihn aufzuheben, streifte er mit dem Arm ihren Rock. Julia zuckte zusammen, als wäre er ihr mit der Hand am Oberschenkel entlanggefahren. Vor sich hin murmelnd, kauerte sie sich zusammen und guckte angestrengt aus dem Fenster.
Sie war nicht unempfänglich für ihn. Mit ein, zwei wohlplatzierten Küssen könnte er das Feuer entfachen, das unter ihrem keusch zugeknöpftem Äußeren glühte, und ihr jedes Zugeständnis entlocken, das er wollte. Sie besaß das heiße Blut der Frants, auch wenn sie vom Gegenteil überzeugt war.
Das einzige Problem lag darin, dass mehr als bloße Ehre auf dem Spiel stand. Alec war nicht sicher, ob er verhindern könnte, dass sich der einfache Kuss in etwas verwandelte, was für seinen inneren Frieden sehr viel gefährlicher wäre. Wenn er Julia auf diese Weise kompromittierte, wären sie nicht mehr nur auf dem Papier verheiratet, und er hatte nicht vor, eine solche Verpflichtung einzugehen. Vor allem nicht bei einer Frau, die ihn nur deswegen geheiratet hatte, um an seinen Geldbeutel zu kommen.
Aus ebendiesem Grund würde er Julia an Lady Birlington übergeben, mit seinen besten Wünschen. Er brauchte Zeit, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass es zumindest eine Frau gab, die für ihn immer unerreichbar blieb, und er so töricht gewesen war, ausgerechnet diese Frau zu heiraten. Fürs Erste würde er jetzt auf seiner Seite der Kutsche bleiben. Sein ganzer Körper war schmerzhaft steif geworden, und seine Laune verschlechterte sich mit jedem Moment.
Mit einem schweren Seufzen dachte Alec, dass Lucien Recht behalten hatte. Eine edle Gesinnung war wirklich verdammt lästig.
11. KAPITEL
„Edmund!“ Lady Birlington stieß ihren Stock auf den Kutschenboden. „Wach auf! Wie sollen wir denn aus dem Wagen steigen, wenn du vor der Tür herumlümmelst!“
So rüde aus dem Schlaf gerissen, schreckte Edmund hoch und schlug mit dem Kopf gegen das niedrige Dach. Schals und Bücher fielen zu Boden, während Ephram hysterisch bellte.
Edmund griff sich an die Brust, ohne Rücksicht auf seine gelbgrüne Weste zu nehmen. „Donner und Doria, Tante Maddie. Mir rast das Herz!“
Julia unterdrückte ein Lachen. Edmund besaß eine liebenswürdige Natur, die sie sofort für ihn eingenommen hatte. Die letzten vierzehn Tage war er die Höflichkeit in Person gewesen, hatte sie überallhin begleitet und ihr oft Ratschläge gegeben, wie sie ihr Haar frisieren solle, welche Farbe an einem Regentag am vorteilhaftesten sei und welche Art Halbstiefel ihre neue Pelisse am besten abrundete.
Da ihr sein Geschmack ziemlich fragwürdig erschien, lauschte sie meist höflich und tat dann das genaue Gegenteil. Bis jetzt war sie damit sehr gut gefahren.
Lady Birlington tätschelte Ephram den Kopf. „Nur ruhig, mein gutes Hündchen.“ Als der Mops sich beruhigt hatte und nur noch zufrieden schnaufte, stieß sie ihren Neffen in die Rippen. „Lass das Gejammer, und mach die Tür auf.“
„Aber der Kutscher..."
„Ist noch älter als ich. Der braucht schon eine Stunde,
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