Verneig dich vor dem Tod
Schwester und Gadras Tochter war und daß du sie im Königreich Connacht geheiratet hast?«
»Das leugne ich nicht. Doch woher weißt du, daß es in Connacht war? Das hat Garb nicht erwähnt.«
»Maigh Eo – die Ebene der Eiben – liegt in Connacht.«
»Du bist gut unterrichtet, Eadulf von Seaxmund’s Ham«, murmelte der Abt.
»Du bist nicht der einzige Angelsachse, der an den Universitäten von Éireann studiert hat«, erwiderte Eadulf. »Jedenfalls lautet die Antwort auf meine Frage, daß du deine Frau nach dem Gesetz der Fénechus geheiratet hast?«
»Auch das leugne ich nicht.«
»Und jetzt ist sie tot?«
Abt Cild schob das Kinn vor und stand auf.
»Sie ist tot. Das weiß ich ganz bestimmt. Niemand kann etwas anderes beweisen! Hörst du? Ich dulde es nicht, daß du das Gegenteil behauptest!«
Eadulf war verblüfft.
»Ich habe doch nicht …«, begann er. Dann bemerkte er den Blick des Abts und fuhr fort: »Ich versuche dir nur zu helfen. Es ist eine sehr schwerwiegende Anklage gegen dich erhoben worden. Wäre es dir da nicht recht, wenn dich jemandberät, der das Gesetz kennt, nach dem man dich beschuldigt?«
»Ein ausländisches Gesetz, das in diesem Land keine Gültigkeit besitzt. Wenn ich angegriffen werde, habe ich hier einen guten Schiedsmann.«
Erst verstand ihn Eadulf nicht. Dann folgte er dem bedeutungsvollen Blick des Abts zu einer nahen Wand. Dort hingen ein Schwert und ein Schild. Am vorigen Abend war es zu dunkel gewesen, als daß Eadulf diese unpassende Dekoration bemerkt hätte. Schwert und Schild eines Kriegers hingen im Zimmer eines Abts.
Eadulf öffnete den Mund, doch der Abt winkte ihm zu schweigen.
»Wir wollen darüber nicht mehr sprechen, Bruder Eadulf. Und du sagst darüber zu niemandem etwas. Du wirst die … die Frau, die du gestern abend gesehen haben willst, nicht erwähnen. Ist das klar?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich Abt Cild um und verließ das Zimmer. Eadulf dachte über das Verhalten des Abts nach. Es kam ihm der Gedanke, daß er den Abt der Heuchelei überführt hatte. Könnte die Frau, die er gesehen hatte, Cilds Geliebte sein oder … Er riß die Augen auf. Der Einfall wäre Fidelmas kühnen Folgerungen würdig. Könnte die Frau Cilds Ehefrau Gélgeis sein und Cild dem Rest der Welt weismachen, sie wäre tot, um zu verheimlichen, daß er nach wie vor mit ihr zusammenlebte, während er vorgab, sich zum Zölibat zu bekennen? Ein verlockender Gedanke! Vielleicht glaubte ihre Familie deswegen, er habe sie umgebracht. Er wünschte, Fidelma ginge es so gut, daß er darüber mit ihr sprechen könnte, doch er beschloß, sie nicht damit zu behelligen. Abt Cild war zweifellos ein schlauer Fuchs.
KAPITEL 5
Als Eadulf das Zimmer des Abts verließ, kam ihm auf dem Korridor ein hochgewachsener blonder Mönch entgegen. Er hatte ein angenehmes Gesicht, mochte etwa dreißig Jahre alt sein, und sein flachsgelbes Haar hing in krausen Locken von seiner
corona spina
herab, der Tonsur des heiligen Petrus. Er besaß einen hellen Teint, leuchtende Augen und ein freundliches Lächeln. Seine aufrechte Haltung verriet einen Stolz, wie er sich für einen Mönch kaum ziemte.
»Guten Morgen, Bruder«, sagte er fröhlich und blieb vor Eadulf stehen. »Ich nehme an, du bist Bruder Eadulf, der Gefährte von Schwester Fidelma?«
Eadulf verneigte sich leicht. »Du kennst mich, Bruder, doch ich kenne dich nicht.«
»Ich bin der Apotheker der Abtei. Mein Name ist Higbald.«
Eadulfs Spannung wich, und er erwiderte das Lächeln. »Hast du Schwester Fidelma schon untersucht?«
»Ja. Sie hat Fieber, weil sie zu sehr der harten Witterung ausgesetzt war. Du hast ihr schon alle nötigen Arzneien verordnet. Mehr könnte ich auch nicht für sie tun. Die Schwester erzählte mir, du seist an einer der medizinischen Hochschulen in Éireann ausgebildet worden? Die genießen einen guten Ruf.«
»Ich habe in Tuaim Brecáin studiert«, bestätigte Eadulf. »Aber sag mir, was du uns empfiehlst, Bruder Higbald. Abt Cild möchte, daß wir die Abtei sofort verlassen.«
Bruder Higbald lachte freundlich. »Bei diesem unwirtlichen Wetter? Der Schneefall hat zwar aufgehört, und dieSonne steht hoch am Himmel, aber die Luft ist eisig. Es ist so kalt, daß jeder mittelgroße Teich zufriert. Das ist kein Reisewetter. In ihrem Zustand wäre das sehr unklug. Das werde ich dem Abt auch sagen.«
Eadulf seufzte erleichtert. »Vielen Dank, Bruder Higbald. Ich fürchte, Abts Cilds Gastfreundschaft gegenüber
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