Verneig dich vor dem Tod
anscheinend zurück.
Eadulf schüttelte den Kopf. »Es ist nur eine starke Erkältung, und sie braucht weiter nichts als Ruhe, Wärme und Bequemlichkeit. Und vielleicht ein bißchen christliche Nächstenliebe«, setzte er grimmig hinzu.
Bruder Willibrod entschuldigte sich sofort. »Es ist nur, weil wir ständig in Furcht vor dem Ausbruch der schrecklichen Gelben Pest leben … Sie hat so viele unserer Menschen hinweggerafft, und …«
»Je eher du Bruder Higbald zu der Frau schickst, desto eher wissen wir, was ihr fehlt, Bruder Willibrod«, schnauzte der Abt.
Bruder Willibrod nickte eifrig zur Bestätigung und verschwand eilig aus dem Zimmer.
»Ich sollte dem Apotheker erklären, womit ich sie behandelt habe«, meinte Eadulf, doch Abt Cild hielt ihn zurück.
»Ich nehme an, sie kann sich mit Bruder Higbald verständigen und es ihm selbst sagen?« fragte er höhnisch. »Es ist besser, wenn Bruder Higbald sie allein untersucht, ohne daß man ihm sagt, was er finden soll.«
Eadulfs Miene versteinerte. Der Mann war ganz wievorher, ungeduldig und arrogant. Eadulf wollte ihn nicht reizen – es war schließlich wichtig, daß Fidelma sich erholen konnte, bevor sie weiterreisten –, aber ganz konnte er es sich nicht verkneifen.
»Wäre ich in deiner Lage, Abt Cild, würde ich mich über den glücklichen Zufall freuen, der eine Person wie Fidelma von Cashel gerade zu diesem Zeitpunkt in deine Abtei führte.«
Abt Cilds Augen verengten sich.
»Das mußt du mir erklären«, antwortete er.
»Ganz einfach. Schwester Fidelma hat in ihrem Land einen guten Ruf als Anwältin. Sie war sogar die juristische Beraterin der irischen Delegation auf der Synode von Whitby vor zwei Jahren.«
Einen Moment stutzte Abt Cild, als ihm die Erinnerung kam.
»Schwester Fidelma? Sie bewahrte die Beratung vor dem Abbruch und die Königreiche vor einem Bürgerkrieg, nachdem eine der führenden Delegierten ermordet worden war?«
»Ebenjene Schwester Fidelma ist hier. Sie ist befreundet mit König Oswy von Northumbria und Äbtissin Hilda.«
Abt Cild entspannte sich plötzlich mit einem der seltsamen, unerklärlichen Stimmungsumschwünge, die Eadulf bereits mehrmals an ihm beobachtet hatte. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schaute Eadulf scharf an.
»Warum sollte ihre Anwesenheit hier mich interessieren? Was willst du damit andeuten?«
»Ich weise dich lediglich darauf hin, daß sie dich in der Angelegenheit von Gadras
troscud
beraten könnte.«
Abt Cild blinzelte und atmete tief aus. »Das ist eine Angelegenheit,die weder dich noch irgend jemand andern etwas angeht.«
»Das Gesetz geht mich schon etwas an, Abt Cild. Die Rituale des Gesetzes haben unterschiedliche Formen, doch ihre Moral läßt sich nicht leugnen. Wenn du ein Opfer bist, dann sprich dich aus und laß dir von Fidelma helfen, einen Weg zu finden, dieses rituelle Fasten gegen dich zu beenden. Wenn du dich vor dem Gesetz zu verantworten hast, dann laß dich von jemand beraten, der etwas von diesem Ritual des
troscud
versteht. Wenn man diese Sache falsch angeht, könnten daraus Krieg und großes Blutvergießen entstehen.«
Abt Cild hob den Kopf, seine dunklen Augen blickten unergründlich.
»Wenn es dazu kommt, werde ich mich zu schützen wissen«, antwortete er finster.
»Das hört sich nach Rückgriff auf Gewalt an. Ist das nicht eine eigenartige Haltung für jemanden von geistlichem Stande?« meinte Eadulf. »Warum willst du dich nicht mit dem Gesetz schützen, wenn du, wie du behauptest, keine Missetat begangen hast?«
Abt Cilds Augen funkelten plötzlich hell, und Eadulf fiel auf, daß seine Hände die Tischkante umklammerten.
»Ich brauche mich dir gegenüber nicht zu rechtfertigen.«
»Das vielleicht nicht«, stellte Eadulf gelassen fest. »Stimmt es, daß du eine Ehefrau namens Gélgeis hattest?«
Die Wangen des Abts röteten sich. Er gab keine Antwort, und Eadulf drängte ihn weiter.
»Hast du deine Meinung zum Zölibat vor oder nach deiner Heirat geändert?«
»Ich heiratete, als ich …«, begann Abt Cild, für einenMoment überrumpelt. Dann unterbrach er sich und sah Eadulf trotzig an. »Ich habe dir schon gesagt, daß dich das nichts angeht. Du bist nicht mehr der
gerefa
von Seaxmund’s Ham.«
»Was ist wahr an Garbs Beschuldigungen?« fragte Eadulf ruhig weiter und überging Abt Cilds Empörung.
»Kein Wort davon ist wahr!«
»Aber du hast gerade zugegeben, daß du diese Gélgeis geheiratet hast. Ich nehme an, daß sie wirklich Garbs
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