Verneig dich vor dem Tod
Zwischenfall nichts zugestoßen ist – was auch immer ihn verursacht haben mag.«
»Warte noch, Bruder«, rief der
dominus
und stand auf, um ihn zurückzuhalten. »Warte, ich habe dir noch nicht alles gesagt.«
Eadulf fuhr herum, von plötzlichen Befürchtungen gepackt.
»Was hast du mir noch nicht gesagt?«
»Abt Cild untersuchte die Angelegenheit. Er erklärte mir, daß du ebenfalls eine Frau nahe der Kapelle gesehen haben willst und sie ihm als Gélgeis beschrieben hast. Mir hast du auch davon erzählt. Jetzt hat sie Bruder Redwald gesehen. Der Abt ist beinahe außer sich vor Angst, wenn ich dir das auch nicht sagen sollte. Cild behauptete, er habe diese Gestalt bereits mehrmals erblickt. Nun erscheint sie anderen. Das ist offensichtlich schwarze Magie.«
Eadulf schnaubte verächtlich. Innerlich empfand er freilich eine Furcht, die von dem uralten Glauben seines Volkes herrührte.
»Das ist Abt Cilds Problem«, sagte er ärgerlich und wandte sich zum Gehen.
»Abt Cild glaubt, es sei der Geist seiner toten Frau«, rief der
dominus.
»Außerdem glaubt er, daß diese Magie in die Abtei gelangte, als du und deine Gefährtin in diesem Königreich ankamen. Es gibt dafür nur eine einzige Erklärung.«
Eadulf fuhr herum und stand Bruder Willibrod mit klopfendem Herzen gegenüber.
»Eine einzige Erklärung? Was meinst du damit?«
»Der Abt glaubt, daß deine Gefährtin den Geist seiner toten Frau durch bösen Zauber heraufbeschworen hat. Wir haben Schwester Fidelma in ihrem Zimmer eingeschlossen, wo sie ihre Bestrafung wegen Hexerei zu erwarten hat.«
KAPITEL 8
Eadulf blieb jäh vor der Tür des Gästezimmers stehen. Ein untersetzter, muskulöser Mönch, der mit gekreuzten Armen unbeweglich davor stand, verwehrte ihm den Zugang. Einen Augenblick schien es, als wolle sich Eadulf auf ihn stürzen, doch Bruder Willibrod war ihm nachgeeilt.
»Laß ihn durch«, befahl er, der Mönch trat sofort beiseite, und Eadulf ging rasch hinein.
Fidelma lag im Bett, ihr Atem ging schwer und rasselnd.
Eadulf blieb einen Moment an der Tür stehen und rang um Fassung. Dann schritt er langsam weiter.
Fidelma schien zu schlafen, aber es war kein natürlicher Schlaf. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, und sie war schweißgebadet. Offensichtlich hatte sich ihr Schüttelfrost zu hohem Fieber gesteigert, und dieses Fieber mußte in dieser Nacht seinen Höhepunkt überschreiten, oder es würde gefährlich werden. Eadulf wußte, was solch ein Fieber bedeutete.
Er wandte den Kopf, als er einen leisen Schritt hinter sich vernahm.
Bruder Willibrod war eingetreten und stand neben ihm.
»Ich sagte dir schon, daß deiner Gefährtin nichts geschehen ist«, flüsterte er. »Niemand war nahe bei ihr außer Bruder Redwald und der Erscheinung, die er gesehen hat.«
Eadulf schaute nach den Medikamenten, die er auf dem Seitentisch gelassen hatte.
»Und niemand hat ihr etwas gegeben außer dem, was ich ihr verordnet habe?«
»Bruder Redwald gab ihr nur etwas Wasser heute morgen, und als er mittags wiederkam, schlief sie so wie jetzt. Da ließ er sie in Ruhe. Bruder Higbald schaute vor kurzer Zeit nach ihr. Sie ist nicht vernachlässigt worden.«
»Wann soll Bruder Redwald diese Erscheinung gesehen haben?«
Bruder Willibrod blickte unsicher drein.
»Bruder Redwald kam kurz nach Einbruch der Dunkelheit her und wollte Kerzen anzünden und sehen, ob sie noch etwas brauchte.«
»Und wann haben die frommen Brüder sie wegen Hexerei verurteilt?« Eadulf konnte die Bitterkeit in seinem Ton nicht verbergen.
Bruder Willibrod scharrte verlegen mit den Füßen.
»Niemand hat sie verurteilt … Du mußt mit Abt Cild sprechen, denn auf seinen Befehl hin wurde sie eingeschlossen. Er hat angeordnet, dich sofort nach deiner Rückkehr zu ihm zu bringen.«
Eadulf verzog ärgerlich das Gesicht.
»Abt Cild kann warten. Erst muß ich mich um Schwester Fidelma kümmern. Dieses Fieber, das sie sich zugezogen hat, befindet sich in einem kritischen Stadium.«
Bruder Willibrods eines Auge weitete sich entsetzt.
»Aber der Pater Abt wird zornig …«
Eadulf fuhr herum und sah dem erschrockenen
dominus
aus wenigen Zentimetern ins Auge. Dieser hielt dem Blick nicht stand.
»Ich bin schon zornig. Zornig, weil ein Mann, der sich Abt einer heiligen Gemeinschaft nennt, von Hexerei reden kann, von Geistern und Dämonen und …«
Eadulf tat so, als wäre er zu aufgeregt, um weiterzusprechen, doch was ihn innehalten ließ, war die Erinnerung daran, welcher
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