Verneig dich vor dem Tod
von irischen Mönchen in dieser Gegend?«
Mul schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, daß sich ein paar hier verbergen. Sie weigern sich, die Entscheidungen von Whitby anzuerkennen und Canterbury zu gehorchen. Regeln! Christliche Regeln!« Er machte eine Geste, als wolle er ausspucken. »Wen schert das? In diesem Land werden wir die Tagundnachtgleiche im Frühjahr auch weiter nach der Göttin Eostre benennen, mögen andere sie auch als Pascha, die Auferstehung des neuen Gottes Christus, oder gar als Pasach feiern, dasjüdische Passafest … Es ist und bleibt die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche.«
Er merkte, daß ihn Fidelma erstaunt ansah, und lächelte entwaffnend.
»Weil ich nur ein Bauer bin, mußt du nicht denken, daß ich keine Ahnung habe. Ich war in den Hafenorten und habe mit phönizischen Kaufleuten gesprochen. Ich weiß alles über Pasach und dergleichen. Jeder Bauer kennt die Jahreszeiten und ihre Namen – Jahreszeiten bleiben Jahreszeiten, du kannst sie nennen, wie du willst.«
»Kennst du eine junge Frau aus Éireann mit rotgoldnem Haar, die in der Nähe der Abtei wohnt?« unterbrach ihn Eadulf.
Mul schüttelte erst den Kopf, dann lächelte er plötzlich. »Meinst du Lioba? Die stammt nicht aus Éireann.«
Eadulf versuchte sich zu erinnern, ob er den Namen schon mal gehört hatte. Er glaubte es, war sich aber nicht sicher.
»Das ist ein angelsächsischer Name«, erklärte Fidelma mit einem Blick auf Eadulf.
»Stimmt«, meinte Mul. »Ihr Vater war ein Bauer in den Bergen jenseits der Abtei. Er ist schon tot. Er starb an der Gelben Pest. Vor ungefähr einem Jahr starb auch ihre Mutter, eine Sklavin aus einem Königreich namens Laigin. Die meinst du sicher, die Lioba.«
Laigin war eins der fünf Königreiche von Éireann, das wußten sie sehr gut.
Plötzlich brach Mul in ein geiles Kichern aus.
Eadulf runzelte leicht die Stirn. »Was belustigt dich so, Mul?«
»Daß bei all der Frömmigkeit in der Abtei Lioba dort ihr Vergnügen sucht.«
»Ich habe gehört, daß diese Lioba eine gewisse Ähnlichkeit mit Gélgeis hat«, sondierte Eadulf, dem plötzlich ein Gedanke gekommen war.
Mul rieb sich das Kinn. »Das weiß ich nicht. Lioba muß jünger sein als die Frau des Abts.«
»Kommen wir noch mal zu den irischen Mönchen im Versteck zurück. Was weißt du von ihnen?« fragte Fidelma.
»Sehr wenig. Als Christen sind sie mir gleichgültig. Es heißt wohl, daß sie in der Gegend von Tunstall leben. Sie stören mich nicht, und ich störe sie nicht.«
Er langte wieder nach dem Apfelwein, zog aber ein saures Gesicht, bevor er trank.
»Mit euch Christen will ich möglichst wenig zu tun haben, wenn ich auch eins zugeben will: Alle Götter sind gleich, wenn man ihre Hilfe sucht. Sie sind sich alle darin einig, daß sie deine Bitten und Hilfeschreie überhören. Das weiß ich. Auf dem Hügel über dem Hof gibt es drei Gräber, die das bezeugen.«
»Christus war nicht verantwortlich für den Mord an deiner Frau und deinen Kindern«, ermahnte ihn Eadulf.
»Nein? Wenn dieser Christus ein allmächtiger Gott wäre, dann hätte er etwas tun können. Lehrt ihr nicht, daß er allmächtig ist, alle liebt und alles bestimmt, was geschieht? Nein,
gerefa,
alle Götter sind gleich. Sie schweigen zu unserem Leid.«
Fidelma sah Eadulf an und schüttelte rasch den Kopf. Es wäre nicht klug, diese Debatte weiterzuführen.
»Hast du etwas gehört von Streitigkeiten zwischen der Abtei und denen, die der Regel von Colmcille anhängen – dem Heiligen, den ihr Columban nennt?« fragte sie.
»Streitigkeiten? Cild ließ zwei von ihnen hinrichten, dasweiß ich. Die anderen ließ er vertreiben, hinaus ins Moorland. Vielleicht sind sie in euer Land zurückgekehrt? Oder sind sie das, die sich in Tunstall verbergen? Es gibt hier so viele Todesfälle, Schwester, daß ich mich wundere, weshalb ihr euch die Mühe macht, die Ursachen von einem oder zwei davon zu ergründen. Die Lösung für alle liegt bei zwei Leuten: Cild und Aldhere.«
»Anscheinend gilt hier überhaupt kein Gesetz mehr«, brummte Eadulf. »Ich kann es kaum glauben. Ich wuchs auf im Bewußtsein, daß niemand es wagen würde, dem Gesetz der Wuffingas und einem
gerefa
nicht zu gehorchen. Jetzt scheint in diesem Land Anarchie zu herrschen.«
Mul grinste spöttisch.
»Nicht Anarchie herrscht,
gerefa,
es herrschen Männer mit Schwertern, die keine Hemmungen haben, sie zu gebrauchen. Und solche Leute sind natürlich niemandem treu als sich selbst.«
Fidelma hielt
Weitere Kostenlose Bücher