Verneig dich vor dem Tod
stirbt, was wahrscheinlich ist, und Cild seine Familie nicht entschädigt, was er wahrscheinlich nicht tut, löst das eine Todfehde aus, die die Uí Briúin einschließt und vielleicht auch die Uí Néill und die sich von Cild auf das ganze Königreich der Ost-Angeln ausdehnt und an der sich möglicherweise bald jedes Königreich beider Inseln auf der einen oder anderen Seite beteiligt. Aus diesem Zwischenfall könnte ein schrecklicher Krieg entstehen.«
Eadulf war entsetzt. »Glaubst du wirklich, daß es dazu kommen könnte?«
Ihre Miene zeigte ihm, wie ernst sie es meinte.
»Sobald ich erfuhr, daß Gadra zu den Uí Briúin gehört, wußte ich, daß wir es nicht mit einem kleinen Fürsten zutun haben, sondern mit einem, der über mächtige Beziehungen verfügt. Das treibt mich an, eine Lösung für diesen Fall zu finden.« Dann fügte sie hinzu: »Welche Gedanken bewegten dich, als Mul andeutete, daß Aldhere oder Cild ein Bündnis mit Nachbarkönigen zum Ziel eigenen Machtgewinns eingegangen sein könnten?«
Eadulf verzog das Gesicht. Er hatte gedacht, sie hätte seine Besorgnis nicht bemerkt, als Mul von diesen Gerüchten berichtete. Nachdem sie Muls Hof verlassen hatten, war ihm das Thema beinahe entfallen.
»Ich dachte nur, daß Cild früher einmal ein Kriegsherr in diesem Lande war. Ich erinnerte mich, wie eigenartig es war, als er an dem Morgen nach unserer Ankunft mit einigen seiner Brüder ausritt, um nach Aldhere zu suchen, und sie eher wie Krieger in Schlachtordnung als wie Mönche wirkten.«
»Ich weiß, daß du mir davon erzählt hast«, erklärte Fidelma. »Doch wie du sagtest, er war früher Krieger, und manche Charakterzüge behalten Krieger für immer.«
»Das habe ich mir auch gedacht.«
»Aber dir macht noch etwas anderes Sorgen?«
»Es macht mir nicht Sorgen, aber es beunruhigt mich. Auf unserem Weg aus der Abtei heraus kamen wir an einem Raum vorbei, der voller Kriegsausrüstung lag. Erinnerst du dich?«
Fidelma hatte es vergessen.
»Ich gebe zu, mir war so schlecht, daß ich es nicht wahrgenommen habe. Vielleicht pflegt Cild dieses Andenken an sein vergangenes Leben.«
»Wenn es wirklich ein vergangenes ist. Was Mul sagte, läßt mich vermuten, daß es das nicht ist.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Vielleicht sind die Gerüchte wahr. Cild könnte sehr wohl mit Wulfhere von Mercia verbündet sein und an einer Verschwörung beteiligt, die das Südvolk an dessen Königreich verraten will.«
»Warum gerade Mercia?«
»Weil die Schilde in jenem Raum alle das Kriegszeichen der Iclingas trugen. Ich wollte dich eben darauf hinweisen, als wir Botulfs Tasche fanden, und bei der Entdeckung habe ich es vergessen.«
»Die Iclingas? Wer sind denn die?«
»Die Iclingas sind die Könige von Mercia.«
Sie ritten eine Weile schweigend weiter und ließen ihre Ponys sich selbst den Weg durch die Schneewehen suchen, denn für diese Aufgabe waren die natürlichen Instinkte der Tiere viel besser geeignet als ihre Reiter.
»In einer Stunde sollten wir Aldheres Lager erreichen«, brach Eadulf schließlich das Schweigen.
»Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen, nachdem du und Mul mir seinen Charakter so unterschiedlich geschildert habt.«
Eadulf schnaubte empört. »Was weiß Mul denn schon? Wie gesagt, der wiederholt doch bloß das Geschwätz der Leute. Mir gefällt Aldhere einfach besser als sein finsterer Bruder Cild.«
»Geschwätz kann manchmal auch Wahres enthalten, nicht an Tatsachen, aber an Einstellungen. Ich habe viele rücksichtslose Männer und Frauen gekannt, die die sanftesten Gemüter hatten, bis jemand ihre Pläne durchkreuzte. Oft lernt man etwas dazu, wenn man sich Geschwätz anhört.«
Eadulf zog ein mißbilligendes Gesicht.
»Du zitierst doch gern Publilius Syrus«, warf er ihr vor. »Hast du ihn nicht einmal, und zwar positiv, zitiert, daß es falsch sei, sich mit Geschwätz abzugeben?«
Fidelma lächelte. »Du hast zwar Publilius Syrus nicht genau wörtlich zitiert, Eadulf, aber dem Sinn nach wahrscheinlich richtig. Was ich aber meinte, war, daß man dem Geschwätz Einstellungen entnehmen kann, nicht Tatsachen. In diesem Fall liegt die Bedeutung des Geschwätzes im Kontext.«
»Und bist du schon zu irgendwelchen Folgerungen gelangt?« fragte Eadulf. Er konnte den ironischen Unterton nicht ganz verbergen.
Fidelmas Miene wurde ernst.
»Ich gestehe dir gern, Eadulf, daß nichts, was ich bisher erfahren habe, mir Lösungen zu erkennen gibt. Die Sache ist äußerst
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