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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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knifflig. Mit Sicherheit wissen wir nur von einem Verbrechen, dem Tod deines Freundes Botulf. Wir haben von einem möglichen anderen Verbrechen, begangen an der Ehefrau des Abts, gehört, aber war es wirklich ein Verbrechen? Das wissen wir nicht, denn Beschuldigungen sind keine Beweise, wie du in Tunstall klarzustellen versucht hast. Wie sollen wir weiter vorgehen? Es gibt keine Zeugen für diese Geschehnisse, nur Gerüchte und Geschwätz.«
    »Es ist noch ein anderer Punkt zu berücksichtigen.«
    Fidelma sah ihn an, überrascht von seinem traurigen Tonfall. »Welcher ist das?«
    »Wenn wir auch durch ein Wunder dahinterkommen, was in Wahrheit geschieht, auf welchem Wege können wir es offenlegen und die Beteiligten zu einer schiedlichen Einigung zwingen? Du besitzt in diesem Land keine juristischeVollmacht. In Dyfed hat dir der walisische König eine solche Vollmacht erteilt. Aber hier bei den Angeln und Sachsen hast du keine. Du bist ohne jede Machtbefugnis.«
    »Das stimmt«, pflichtete sie ihm ernst bei. »Doch dies ist dein Land, Eadulf. Es ist dein Volk. Du bist hier ein
gerefa

    Eadulf schüttelte den Kopf.
    »Ich war hier ein
gerefa
und habe die Gesetze der Wuffingas angewendet. Sobald ich Mönch wurde, erlosch meine Vollmacht als
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    Fidelma kniff leicht die Augen zusammen.
    »Willst du damit sagen, daß ein Mönch in diesem Land nicht zugleich Anwalt sein kann?«
    Eadulf nickte.
    »Es ist reine Ironie, wenn Mul mich mit
gerefa
anredet. Das tut er, weil er als Nicht-Christ sich weigert, mich Bruder zu nennen. Falls du es bemerkt hast, er sagt zu dir auch nicht Schwester. Ich habe viele Mönche und Nonnen getroffen, die wegen meiner juristischen Kenntnisse meinen Rat suchten, aber in Wirklichkeit besitze ich in diesem Königreich keine Vollmacht mehr, und die Leute wissen das auch.«
    Fidelma überlegte einen Moment. Irgendwoher mußte sie das gewußt haben. Man hatte es ihr wohl erklärt, als sie Eadulf auf der großen Synode von Whitby zum erstenmal begegnete. In der letzten Zeit hatte sie ihrem Volk gegenüber seinen juristischen Rang betont, da er ihm die moralische Berechtigung gab, ihr bei ihren eigenen Nachforschungen zu helfen.
    »Nun, dann müssen wir einen anderen Weg finden, Einfluß auf die Dinge zu nehmen«, meinte sie. »Ich glaube, Gadra und Garb werden darauf eingehen, wenn ich ihnenbeweisen kann, daß sie das rituelle Fasten nicht zu beginnen brauchen.«
    »Aber in der Zwischenzeit«, seufzte Eadulf, »müssen wir zusehen, daß wir nicht in Abt Cilds Fänge geraten. Ich frage mich, wie er es sich leisten kann, drei Goldstücke für unsere Gefangennahme auszusetzen? Das ist eine hohe Summe, und sie wird zweifellos viele Leute in Versuchung führen.«
    Daran zweifelte Fidelma nicht.
    »Noch wichtiger ist die Frage, warum ihm soviel daran gelegen ist, uns gefangenzunehmen und zum Schweigen zu bringen?« überlegte sie. »Er muß doch ebensogut wie wir wissen, daß wir ihm nichts nachweisen können …«
    »Es sei denn, wir übersehen das Nächstliegende«, brummte Eadulf.
    Fidelma betrachtete ihn nachdenklich. Sie bemerkte die zusammengezogenen Brauen, die verkniffenen Lippen, als bemühe er sich, einen vergessenen Hinweis zurückzurufen, den er erhalten hatte, als sie noch im Fieber lag.
    »Du weißt, daß das Kruzifix, das Mul fand, nicht zu solchen gehört, wie sie Mönche normalerweise tragen?« fragte sie nach einer Weile.
    Eadulf nickte.
    »Es wurde für eine reiche Persönlichkeit hergestellt, sicherlich für eine Frau«, antwortete er. »Es scheint logisch, daß es Gélgeis gehörte.«
    »Logisch wohl, aber sicher ist es nicht, auch nicht der Grund, weshalb es auf Muls Hof gelangte.«
    Wieder trat Schweigen ein, bis es Fidelma erneut brach: »Du hast doch mit Cild gesprochen. Sag, ist er wirklich geistig gestört? Und wenn, hast du die Ursache erkannt?«
    Eadulf zuckte die Achseln. »Ich würde sagen, Cild ist gestört bis zum Irrsinn. Was zu diesem Wahn geführt hat? Das weiß ich nicht.«
    »Der Tod seiner Frau und die seltsamen Erscheinungen in der Abtei?«
    Zu ihrer Überraschung schüttelte Eadulf den Kopf.
    »Ich glaube, es steckt mehr dahinter. Aldhere behauptet, sein Bruder sei von Kindheit an gestört und grausam gewesen und aus diesem Grunde enterbt worden. Vielleicht wurde er böse geboren.«
    Fidelma verzog das Gesicht.
    »Kinder werden nicht böse geboren, Eadulf. Gewöhnlich werden sie dazu gemacht.«
    Sie waren bisher durch einen Wald geritten, der zumeist aus

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