Verräterische Lippen
ich klargemacht hatte, daß ich nicht
zurücktreten würde, mußte er einen Weg finden, mich mürbe zu machen. Er
versuchte, mich über Sie zu überzeugen, daß General Ortez ein Verräter sei. Eine erheiternde Vorstellung, die vorausgesetzt hätte, daß
ich, um eine solche Unterstellung auch nur halbwegs zu glauben, Ihnen und
meiner Tochter uneingeschränkt hätte vertrauen müssen.«
Ich
ignorierte die versteckte Beleidigung und fuhr entschlossen fort: »Das erklärt
die Geschichte von den Entführern, die angeblich nur Lösegeld wollten.
Marguerita erfand diese Leute, um zu erklären, warum Ihr Rücktritt nicht mehr
der Preis für die Freilassung Ihrer Tochter war, und warum sie immer noch
lebte. Es gab von Anfang an nur jene Entführer, an deren Spitze Marguerita
selber stand. Die Forderung nach einer Million Dollar war vermutlich durchaus
ernst gemeint — Rodriguez und Juarez hätten das Geld benutzen können, um sich
Leute in Schlüsselpositionen zu kaufen, vor allem innerhalb der Armee .«
»Es
war ein höchst unglücklicher Zufall, daß dieser Mann —«, Ramirez hielt inne,
als suche er bei einer Salonplauderei nach dem richtigen Ausdruck, »dieser
Amerikaner Crawfield ausgerechnet das Hintertor entdeckte, das ich unverschlossen gelassen hatte.
Sonst wären Sie mit Señorita Mendez mühelos entkommen, ich hätte oben am
Felsenrand gewartet, und die Señorita hätte sich bei uns in Sicherheitsverwahrung
befunden, bis der Präsident zurückgekehrt wäre. Schlicht und einfach.« Er
bedachte mich mit einem liebenswürdigen Lächeln, mir entging jedoch nicht ein
brütender Ausdruck in seinem Gesicht.
»Das
Schicksal macht unsere Pläne oft zunichte«, ergriff Ortez pathetisch das Wort. »Hätte es nicht seine eigenen Gesetze, wäre Señorita
Mendez nicht entkommen. Und jede weitere Gewalttat hätte vermieden werden
können .«
»Rodriguez
hatte aber schon ein Mädchen umbringen lassen: in meinem Hotelzimmer. Nachdem ich
ihn angerufen und ihm von ihm berichtet hatte, muß er einen Wachtposten in das
angrenzende Zimmer beordert haben. Das Mädchen sagte, es würde mich um zehn Uhr
anrufen. Aber da sie für Ramirez arbeitete, mußte sie wissen, daß die
Telefonleitung abgehört wurde. Deshalb kam sie, statt anzurufen, zu einem etwas
früheren Zeitpunkt persönlich. Nur traf sie mich noch nicht an, aber ihr Mörder
hörte sie. Ich bin überzeugt, Señor Rodriguez wird Ihnen den Namen des
Betreffenden nennen können .«
Präsident
Mendez neigte den Kopf und lächelte höflich. »Das hat er bereits getan, Señor
Roberts. Es war Oberst Juarez persönlich. General Ortez hat beide Herren ausgiebig verhört .«
Ich
starrte in das breite, finster blickende Gesicht des Polizeichefs. »Ich hatte
ihn ohnehin für den Typ gehalten, der die besten Jobs für sich selbst
reserviert. Nur hat er sich in diesem Fall anscheinend allzu sehr hinreißen
lassen. Das Mädchen hätte ihm Informationen geben können, wenn er es nicht
umgebracht hätte. Zum Beispiel, daß Ramirez, der sich bei den Entführern
befand, ein Agent von General Ortez war.«
Juarez
musterte mich mit dem Augenausdruck eines in die Ecke gedrängten Wiesels. Ich
spürte förmlich sein Verlangen, mir an die Kehle zu springen.
Ich
warf einen Blick auf Rodriguez. Es war fast unheimlich, mit welcher
Beharrlichkeit beide Männer schwiegen. Der Präsident ließ mich nicht aus den
Augen. Ich überlegte, was wohl geschehen würde, wenn Rodriguez und Juarez den
Mund aufmachten.
»Die
Botin hat Señor Roberts die Information gegeben, die sie ihm geben sollte«,
erläuterte Ramirez. »Daß sie eine Prostituierte sei und eine Erpresserin und
selbst keine Ahnung habe, wo sich Señorita Mendez befinde .«
»Es
war eine gute Geschichte, die sie ihr eingebleut hatten«, meinte ich anerkennend. »Nur hat sie dummerweise zugleich den Tod der
armen Kleinen garantiert .«
Er
lächelte. »Wir konnten nicht riskieren, daß Señor Rodriguez womöglich von ihrer
Verbindung zu mir erfahren hätte«, erklärte er schlicht.
»Natürlich
nicht«, pflichtete ich ihm bei. »Andererseits hätten Sie das Mädchen gar nicht
erst in eine so gefährliche Situation zu bringen brauchen. Dieses ganze Gerede
von dem Bruder und den zehntausend Dollar war doch wohl nur dazu gedacht, mich
von Ihren unpolitischen Motiven zu überzeugen .«
Ortez grinste. Er hatte einen Daumen verwegen in sein Koppel gehakt. »Das Versteckspiel war nötig, Señor
Roberts. Wir durften Sie von unserer Rolle in dieser
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