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Verrückte Lust.

Verrückte Lust.

Titel: Verrückte Lust. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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und geben einem das Gefühl, als würden einem die Eingeweide herausfallen. Sie können so verdammt unerträglich werden, daß der Gedanke, an den Handgelenken aufgehängt zu sein, ein regelrechter Genuß ist. Doch wenn noch hinzukommt, daß die Wohnung jeden Tag bis spät in die Nacht in eine Schreinerwerkstatt verwandelt wird und ständig Gebrabbel und Gläserklingen zu hören ist, kann man schon verstehen, daß einer den Verstand verliert. Und Tony Bring benahm sich genau so, als hätte er eine Schraube locker. Er schrie vor Schmerz oder Wut, und dann sang er, und dann fluchte oder lachte er. Wenn sie von Picasso anfingen, sprach er von Matisse oder diesem wilden Czobel, und weder Czobel noch Matisse oder irgend jemand sonst bedeuteten ihm irgend etwas, aber er wollte gehört werden und sie mit seinen Worten ersäufen, und wenn er sie nicht ersäufen konnte, wollte er sie wenigstens ersticken, denn wenn sie so weiterredeten, dann würden, so glaubte er, seine Gedärme sich in Sägemehl verwandeln, und schon würde sich die Geschichte mit dem Baumpilz wiederholen. Injektionen von KohlenstoffBisulfit oder Blei-Arsen-Lösung würden kein bißchen helfen. Von einem Mann, dessen Rektum gewürgt wird, der nichts weiter will als einen Sattel aus zerstoßenem Eis, kann man nicht die Gelassenheit eines Heiligen oder die Heldenhaftigkeit eines Gottes erwarten. Er will seine Ruhe und seinen Frieden haben, am liebsten in einem abgedunkelten Zimmer, und einem guten Engel lauschen, der ihm aus einem verzaubernden oder ernüchternden Buch vorliest. Er will nichts hören von Gedichten, die mit Kupferglanz eingefaßt sind, oder von Häusern, die sich wie Austern öffnen. Er will sich nicht mit chinesischen Puzzles bei Laune halten, denn es war und blieb nichts anderes als ein chinesisches Puzzle, wohin Hildred in jener Nacht des Schneesturms gegangen war, als sie das Haus in einem vorne mit hohlen Silberkugeln besetzten Samtkleid verlassen hatte, um einen Brief einzuwerfen, worauf sie, nachdem sie drei Tage und Nächte weder angerufen noch telegraphiert hatte, plötzlich mit glasigen Augen wieder hereinmarschiert gekommen war und verkündet hatte, sie habe einen Dichter kennengelernt, und weiter nichts, nicht einmal ein Satzzeichen. Und wenn sie dachte, es könnte alles wieder in Ordnung gebracht werden, wenn sie einen heruntergekommenen, abgehalfterten Quacksalber holte, dann hatte sie sich geirrt. Er würde keine schmierigen Jidden an sich herumfummeln lassen, nicht einmal an seinem Rektum. Doch der Arzt kam trotzdem, und es war die altbewährte Tour mit dem Thermometer, das einem unter die Zunge geschoben wurde, und den Fragen, die man nicht beantworten konnte. Seltsam, daß der Arzt nicht von Capablanca oder Einstein, sondern von Hilaire Belloc redete, von dem er sagte, er sei ein Gelehrter ohne Weisheit, und überhaupt sei es, wenn ein Nicht-Jude sich in Konkurrenz zu einem Juden begebe, wie wenn man mit gefesselten Beinen zu einem Rennen antrete, denn der jüdische Verstand sei scharf, schnell, schlüpfrig und in der Lage, tausendmal einen neuen Standpunkt einzunehmen, und zwar in derselben Zeit, die der Verstand des Nicht-Juden brauche, um ein einziges Mal den Standpunkt zu wechseln. Hildred, der es sehr peinlich war, wie ausfallend ihr Mann geworden war, brachte den Arzt zur Tür und entschuldigte sich bei ihm, und er küßte ihr die Hand und sagte, sie brauche sich keine Sorgen zu machen. »Er ist faul… er simuliert«, sagte er. Und so kehrte sie mit leichtem Herzen in ihre Schreinerwerkstatt zurück und kümmerte sich von da an nicht im mindesten um ihn.
     Sich selbst überlassen, unbeachtet wie ein kaputter Regenschirm, mit langsam nachlassenden Schmerzen – denn im Lauf der Zeit vergeht alles –, stellte Tony Bring fest, daß es ganz angenehm war, so dazuliegen und das Drama seines Lebens vor seinem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen, ein Drama, das, wie er sich deutlich erinnerte, begonnen hatte, als er auf seinem hohen Kinderstuhl gesessen und wie ein dressierter Hund deutsche Gedichte aufgesagt hatte, in der barbarischen Sprache seiner barbarischen Vorfahren. Seine Erinnerung war so deutlich, genau und vollständig, daß er sich mit wildem, stolzem, verrücktem Frohlocken sagte: Wenn ich lange genug hier liege, kann ich mein ganzes Leben, Tag für Tag, vor mir ablaufen lassen. Und bestimmte Tage, die aus bestimmten Gründen wie Meilensteine aus den übrigen herausragten, durchlebte er tatsächlich noch einmal,

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