Verrückte Lust.
Für einen halben Liter gab es zwischen fünfzehn und hundert Dollar. Je nach Qualität.
Mal angenommen, man hatte 1A-Blut. Natürlich hieß das nicht »1A«, aber das spielt ja keine Rolle. Der springende Punkt war: Wenn man gut aß, regelmäßig ein Glas Portwein trank und die Gedärme frei von Giften hielt, konnte man alle zehn bis vierzehn Tage einen halben Liter Blut verkaufen. Und dafür brauchte man keine Werbung zu machen, brauchte keinen politischen Einfluß zu haben und kein Kapital zu investieren. Bloß gutes, starkes, gesundes Blut, möglichst 1ABlut – mehr brauchte man nicht.
Nun gab es im Village einen Blutspender, der das Geschäft aus dem Effeff kannte. Er hatte 1A-Blut, und seine Frau konnte, was die Blutqualität betraf, mit ihm mithalten. Sie hatten zusammen schon so viel Blut gespendet, daß ein Schlachtschiff darauf hätte schwimmen können. Und man brauchte sie nur anzusehen: eine gesunde Röte auf den Wangen, Pelzmäntel… man konnte sie fast jeden Abend im »Caravan« sehen, wo sie Beefsteak aßen und tanzten, betrunken vom Blut oder vom Blutverlust.
Es gab solche und solche Krankenhäuser in New York – manche waren, vom Standpunkt des Blutspenders, besser als andere. Eine bestimmte jüdische Einrichtung war großzügiger als alle anderen, aber dort gab es eine Warteliste – eine furchterregende Warteliste. Natürlich – wenn man erst einmal bekannt war, wenn die Qualität des Blutes, das man anbot, sozusagen eine gewisse Reputation erlangt hatte, konnte man sich hinaufarbeiten. Am besten war es, mit einem bescheidenen Krankenhaus anzufangen, mit einem presbyterianischen Krankenhaus oder dergleichen.
Doch zuvor mußten sie Proben abgeben. Sie verschenkten – absolut umsonst, als Proben – einige Spritzenvoll. Sie verteilten ihre Proben in den Krankenhäusern der ganzen Stadt. Hildred hatte eine schwere Zeit; irgendein Dilettant hatte die Nadel an der falschen Stelle angesetzt, und ihr Arm schwoll an, und ihre Venen wurden schwarz. Sie schwor, sie werde ihren Arm verlieren, doch dazu kam es dann doch nicht. Außerdem hatte sie Anfälle von Übelkeit. Nicht einmal Walderdbeeren konnte sie bei sich behalten. Das einzige, was sie vertrug, war Portwein. Portwein war ihre Medizin. Sie riet jedem, Portwein zu trinken.
Es gab Krankenhäuser, denen es nicht reichte, einem bloß eine Nadel in den Arm zu stechen. Man bestand auf einer eingehenden Untersuchung: Herz. Lunge, Urinprobe, Größe, Gewicht, Wassermann-Test, Nationalität, Familiengeschichte, usw. Man hätte mit weniger Aufwand eine Versicherung über fünfzigtausend Dollar abschließen können. Und dann gab es die jungen Springer, die ein Stethoskop um den Hals baumeln hatten – die waren ungeheuer gründlich. Selbst ein so kleines Ding wie ein BH störte bei ihren langen, ausgedehnten Untersuchungen. Andere – müde alte Säcke – ließen einen nicht mal husten. Eine komische Branche, ganz gleich, von welchem Standpunkt man sie betrachtete.
Und dann trafen die Befunde ein! Sie kamen mit der Post, wie die Ablehnungsbriefe der Redaktionen. Einige waren vorgedruckte Formulare, die in einer überhöflichen Sprache verfaßt waren, andere waren grob und barsch und in Schreibschrift geschrieben – von Ausländern oder Nachtwächtern. Eines jedenfalls war klar: Sie waren ungeeignet. Ihr Blut war weder 1A noch 2B noch 3C noch 4D. Was die guten, im Augenblick so gefragten roten Blutkörperchen betraf, so herrschte bei ihnen ein Defizit. Abgesehen von der Frage, ob sie gutes oder schlechtes Blut hatten, war noch einiges andere bei ihnen nicht in Ordnung. Es war bei ihnen so vieles nicht in Ordnung, daß es ein reines Wunder war, daß sie keinen Krebs, keine Ödeme, keine Syphilis hatten. Die Wurzel all dieser Übel war Anämie. Anämie war eine Art Weiße Kernfäule, die Stadtmenschen befiel, eine Krankheit, die das Blut in Spülwasser verwandelte. Wer konnte in einer Stadt wie New York schon eine Bescheinigung über erstklassiges Blut vorweisen? Das war doch alles Unsinn. Sie waren nicht bereit, sich von jungen Springern, die ein Stethoskop um den Hals trugen und deren weiße Hosen rasiermesserscharfe Bügelfalten hatten, Angst einjagen zu lassen. Unterernährung – das war die Lösung dieses Problems. Mehr Erdbeeren. Mehr Portwein. Dicke, saftige Steaks mit blutroter Sauce. Scheiß auf die Ärzte! Alles falscher Alarm. Wenn man Geld hatte und es sich leisten konnte, sich Sorgen um seine Gesundheit zu machen, jagten sie
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