Verschleppt
aus der Bierflasche und dachte an ihre Schwester. Seit dem Tod ihres Vaters entwickelte sich das Verhältnis zu ihr immer mehr zu einer Katastrophe. Jane warf ihr immer vor, Daddys Liebling gewesen zu sein. Dass er sich ja nie für sie interessiert hätte, weil sie eine Lehre zur Krankenschwester gemacht hat. Es ging ihm immer nur um Sara, die angehende Polizistin. Völliger Schwachsinn in Saras Augen. Aber Sie hatte in den Jahren gelernt, dass jeder seine eigene Wahrheit mit sich herumträgt, daher hatte sie aufgegeben, mit Jane diese Kämpfe auszutragen. Sara stand wütend auf, sie konnte sich gar nicht beruhigen. Sie überlegte, ob sie sich was zu essen machen sollte. Bei einem Blick in den Kühlschrank merkte sie aber, dass sie gar keinen Hunger hatte. Das Gespräch mit ihrer Schwester war ihr ordentlich auf den Magen geschlagen. Sie ging ins Bad, dort stellte sie sich minutenlang unter die heiße Dusche. Das heiße Wasser lief über ihren Kopf ins Gesicht und sie atmete tief die dampfende Luft ein. Ihre Gedanken schweiften zu Joseph und sie konnte nicht begreifen, dass sie sich so in einem Menschen täuschen konnte. Sie überlegte kurz, ob Martha wohl davon gewusst hat, verwarf den Gedanken dann aber schnell. Nein, das traute sie einer Frau wie Martha nicht zu.
Sie wusch sich die Haare und genoss den warmen Strom der Dusche auf ihrem Körper, bis ihr Bilder von Noah in den Kopf schossen – und die Worte ihrer Schwester ‚ Wie konnte das überhaupt passieren?’. Sie musste sich zwingen, nicht anzufangen zu weinen, verlor aber den Kampf mit ihren Gefühlen. Da war wieder der dumpfe Schmerz in ihrem Inneren, Tränen vermischten sich mit dem Wasser in ihrem Gesicht. Sie weinte immer heftiger und sackte schließlich in der Dusche an den Fliesen runter. Dort kauerte sie eine Weile und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Jane hatte recht, sie war eine schreckliche Mutter. Sie bemerkte nur langsam, wie ihr immer kälter wurde. Sie stellte die Dusche so heiß, wie sie es ertragen konnte, in der Hoffnung, die düsteren Gedanken zu vertreiben. Sie wusste nicht, wie lange sie unter dem heißen Strahl war. Endlich, nachdem sie keine Tränen mehr übrig hatte, trocknete sie sich ab und zog sich eine Jogginghose und ein weites T-Shirt über. Der Spiegel war beschlagen und sie wischte ihn langsam mit ihrer Hand sauber. Als sie sich die nassen Haare kämmte, betrachtete sie ihr Spiegelbild. Unter dem hellen Licht sah sie deutlich die dunklen Ränder unter ihren Augen. Sie begriff, dass ihr Leben ein einziger Trümmerhaufen war. Bevor sie wieder anfangen musste zu weinen, ging sie schnell ins Wohnzimmer und legte sich auf die Couch. Sie wollte ihre Mum anrufen, aber innerhalb weniger Minuten war sie eingeschlafen. Sie fiel in einen tiefen und erschöpften Schlaf.
Es war mitten in der Nacht, als ihr Handy klingelte, dachte sie zumindest. Sara schreckte auf, ihr T-Shirt war schweißnass. Es war aber die Haustür. Es klingelte erneut, Sara kam langsam zu sich. Sie stand auf und ging langsam zur Tür. „Sekunde“, rief sie Richtung Haustür. Als sie die Tür öffnete, sah sie eine völlig verstörte Lilly vor sich stehen. Sie war kreidebleich. „Was ist los, Lilly?“ Sara hatte sofort ein ungutes Gefühl. Lilly stotterte. „Sara, ähm, es...“, sie holte tief Luft. Sara starrte sie gebannt an, ihre Halsschlagader pochte. Sie hatte Angst, vor dem was jetzt kam. Lilly sprach schließlich weiter. „Es wurde eine Kinderleiche gefunden. Es ist ein kleiner Junge.“
Kapitel 39
Lilly hatte es gerade so geschafft, Sara in ihren Wagen zu bringen, sie wäre fast zusammengebrochen. Nun saßen beide im Auto. Erste Strahlen der Morgenröte erhellten den Himmel. Lilly ließ den Motor an und fuhr los. „Ist es Noah?“, stammelte Sara. Lilly schaute sie an. „Das wissen wir nicht. Shawn müsste gleich am Fundort sein. Dann wissen wir hoffentlich mehr.“ Sara trug immer noch die Jogginghose, in der sie gestern Abend eingeschlafen war. Zudem hatte sie sich eine Fleecejacke übergeworfen. „Wo? Wo ist er gefunden worden?“ „Am Lake Tower See. Er lag am Ufer. Er muss ins Wasser geworfen worden sein. Und letztendlich hat ihn die Strömung wieder ans Land gespült. Ein Jogger hat den Jungen wohl gefunden.“ Sara wurde schlecht. Sie gab Lilly ein eiliges Zeichen, den Wagen anzuhalten und Lilly fuhr schnell an den Straßenrand. Sara riss die Tür auf und übergab sich.
„Geht es wieder?“ Lilly legte besorgt ihre Hand auf den
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