Verschleppt
ihren Füßen, als sie auf die Haustür zugingen. Eine Holzbank stand an der Wand und zu beiden Seiten standen zwei große Steintöpfe. Blätter lagen auf dem Boden.
Matt klingelte. Nach wenigen Sekunden kam jemand zur Tür. Harold. „Hi Harold.“ Matt begrüßte ihn. „Das ist meine...“ Er stockte, weil er nicht wusste, wie er Sara vorstellen sollte, er sagte schließlich. „Das ist Sara.“ Harold freute sich und gab Sara einen kräftigen Handschlag. „Na, dann mal hereinspaziert. Wollt ihr was trinken? Patrick ist mit einem Freund unterwegs, er kommt erst spät.“ Harold war ein gutaussehender Mann. Mitte 50, wie Sara schätzte. Er hatte dunkles dichtes Haar mit graumelierten Schläfen, die ihn aber keineswegs alt aussehen ließen. Seine Augen waren blau, tief eingebettet über den ausgeprägten Wangenknochen. Er trug eine Brille. Sein Lächeln war ansteckend. Diese Grübchen mussten ihn schon als Baby zum Star gemacht haben, dachte Sara. „Eigentlich wollten wir dir nur schnell die Angelsachen bringen“, rief Matt Harold in die Küche nach. „Keine Widerrede, ihr beiden. Ein Drink geht immer. Nehmt Platz.“ Coop lief Harold hinterher in die Küche und sprang immer wieder hoch. Sara wusste nicht, ob Coop ihn mochte oder nicht. Sie für ihren Teil fand ihn sehr sympathisch.
Sara schaute sich im Wohnzimmer um, der Boden war mit Eichenparkett ausgestattet, das abgetreten aussah. Als Einrichtungsberater hätte Harold verloren. Keines der Möbelstücke passte zusammen. Das durchgesessene Sofa nicht zum Knautschsessel, der Sessel nicht zum selbst zusammengebauten Couchtisch. Die Wände waren olivgrün gestrichen. Schrecklich, dachte Sara, als Harold mit einem Tablett wiederkam. Darauf standen drei Whiskey. „Oh, nicht für mich“, winkte Matt dankend ab. „Ich muss noch fahren.“ Matt holte sich ein Wasser aus der Küche. Coop lief ihm hinterher und sammelte alle Krümel vom Boden ein. „Lass das, Coop. Immer das Gleiche mit dir.“ Matt hob den Finger, während er mit Coop schimpfte, der Vierbeiner ignorierte ihn konsequent. Als Matt zurück ins Wohnzimmer kam, hatte Sara bereits auf dem Sessel Platz genommen. Ihre Jacke hatte sie ausgezogen. Matt setzte sich neben Harold auf das Sofa. Alle erhoben ihr Glas und prosteten sich zu. Sara nahm einen ordentlichen Schluck, die Eiswürfel klirrten im Glas. „Gibt es was Neues von Noah?“, Harold schaute beide besorgt an. „Patrick hat mir alles erzählt. Schreckliche Sache. Es muss schlimm sein, ein Kind zu vermissen.“ Matt schaute auf den Boden. „Ja, wir können nur hoffen.“ Sara starrte auf ihr Glas, der Whiskey stieg ihr schon zu Kopf.
Ihr Handy klingelte, sie hatte wieder Netz, es war Lilly. „Entschuldigt mich bitte, da muss ich kurz drangehen.“ Sie klappte ihr Handy auf. „Lilly, was gibt es?“ Sara hörte Lilly zu. Sie stand plötzlich auf, ihre Augen weiteten sich. „BRYAN! Bryan wurde gefunden. Oh mein Gott. Das ist toll. Wie geht es ihm? Hat er was gesagt? Hat er Noah erwähnt?“ Sara nickte und strahlte. „Das ist unglaublich. Lilly, danke. Ich bin unterwegs. Was? Ich bin mit Matt bei Harold. Erzähl ich dir später. Bis gleich im Krankenhaus.“ Sie legte auf, ihr Akku piepste schon, er war fast leer. Matt war mittlerweile auch aufgestanden. „Und?“ Er schaute sie erwartungsvoll an. Auch Harold stand, sein Oberkörper hatte sich angespannt und seine Miene verriet angespannte Erwartung, was jetzt kommen würde. Er hatte seine Brille abgenommen und putzte sie mit seinem Hemdärmel. Saras Worte überschlugen sich. „Bryan lebt!“, schoss es aus ihr heraus. Sie lachte. „Er konnte entkommen.“ Sara lief aufgeregt auf und ab. Sie holte Luft. „Er wurde von einem Wandererpaar gefunden – ein paar Meilen von hier in einem Waldstück. Er hatte sich das Bein auf der Flucht gebrochen und lag die Nacht dort. Aber es geht ihm gut. Noah geht es auch gut, sagt er.“ Sie ging zu Matt und er nahm sie in den Arm. Harold wusste nicht, was er sagen sollte, er klopfte beiden auf die Schulter. „Ich freu mich so für euch.“ Sara war ganz außer sich vor Freude. „Er hat die Stimme des Entführers erkannt, es ist wahrhaftig der Kerl aus der Reinigung. Der vom Phantombild.“ Matt konnte es nicht fassen. „Dann werden wir bald die anderen Kinder finden.“ Sara nickte. „Das hoffe ich. Los, lass uns ins Krankenhaus zu Bryan fahren. Er kann uns sicher noch viel mehr erzählen. Vor allem zu dem Entführer.“ Matt nahm seine Jacke.
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