Verschlossen und verriegelt
andere Gesellschaft.
Aber es gibt auch anderes, was Verschlossen und verriegelt heute noch immer zu einer höchst unterhaltsamen Lektüre macht. Die Komposition - die Story - ist glänzend; alles, was die Polizei anpackt, geht zur Hölle, aber es ist eine ausgesprochen vergnügliche Höllenfahrt. Es gibt diverse Höhepunkte, zum Beispiel die Erstürmung einer Wohnung auf Danviksklippan, ein Slapstick-Klassiker, den man immer wieder lesen kann. Und obwohl die Arbeit der Polizei von fast hundertprozentiger Inkompetenz geprägt ist, wendet sich am Ende in gewisser Weise doch alles zum Guten. Der arme Schurke Mauritzon bekommt, was er verdient, obwohl die Polizei (mit Ausnahme Martin Becks) praktisch alles falsch verstanden hat. Das Porträt des Irren und Staatsanwalts Bulldozer Olsson ist heute noch so lustig wie vor vierunddreißig Jahren, der Unterschied ist allenfalls, dass man sein Porträt damals psychologisch einigermaßen glaubwürdig fand. Doch wer weiß, wer heute Leif G. W. Perssons Polizeiromane liest oder ihm zuhört, gewinnt eher nicht den Eindruck, dass sich die Dinge in der Zwischenzeit gebessert haben. Die schwedische Polizei besteht zu einem Großteil aus Idioten, je höher in der Hierarchie, desto größere - und desto gefährlichere.
Man fragt sich, wie manche Dinge trotzdem funktionieren können. Vielleicht ist es wie in Verschlossen und verriegelt. Die Missgeschicke heben einander auf, und aus zweimal minus wird manchmal plus. Außerdem gibt es Ausnahmen. Es gibt gute Polizisten, Beck und Kollberg, Rönn und Gunvald Larsson - jeder von ihnen ist auf seine Art ein moralisch denkendes Individuum. Obwohl die Zeiten finsterer werden, machen sie weiter ihren Job, bekämpfen sie weiter alle möglichen Spielarten des Bösen - wenn es in Verschlossen und verriegelt so etwas wie Hoffnung gibt, dann in Gestalt dieser einzelnen Polizisten.
Aber richtig positiv wird es nie. Früher war es auch nicht besser.
Verschlossen und verriegelt
1
Die Glocken der Mariakirche schlugen zwei, als sie aus der U-Bahn-Station in der Wollmar Yxkullsgatan kam. Sie blieb stehen und zündete sich eine Zigarette an, ehe sie mit schnellen Schritten zum Mariatorget ging.
Der Klang der Kirchenglocken hing wabernd in der Luft und erinnerte sie an die düsteren Sonntage ihrer Kindheit. Sie war nur wenige Häuserblocks von der Mariakirche entfernt geboren und aufgewachsen, in ihr war sie getauft und vor fast zwölf Jahren konfirmiert worden. Von der Feier und dem Konfirmationsunterricht war ihr nur im Gedächtnis geblieben, dass sie den Pfarrer gefragt hatte, was Strindberg meinte, als er vom »milzsüchtigen Diskant« der Marienglocken schrieb, aber an seine Antwort konnte sie sich nicht mehr erinnern. Die Sonne brannte ihr im Rücken, und als sie die Sankt Paulsgatan überquert hatte, verlangsamte sie ihre Schritte, um nicht ins Schwitzen zu geraten. Plötzlich spürte sie, wie nervös sie in Wirklichkeit war, und bereute, keine Beruhigungstablette genommen zu haben, bevor sie das Haus verließ. Als sie den Springbrunnen in der Mitte des Platzes erreichte, tauchte sie ihr Taschentuch ins kalte Wasser, wischte sich mit dem nassen Tuch hastig über das Gesicht, putzte ihre Sonnenbrille mit einem Zipfel der hellblauen Bluse und setzte sie wieder auf. Die Brille hatte große, spiegelnde Gläser und verbarg den oberen Teil ihres Gesichts. Dann nahm sie ihren breitkrempigen blauen Denimhut ab, hob die glatten blonden Haare an, die so lang waren, dass sie die Schultern der Bluse berührten, und wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Sie setzte den Hut wieder auf, zog ihn in die Stirn und blieb, das Taschentuch in der Hand zu einem Ball zusammengeknüllt, regungslos sitzen.
Kurz darauf breitete sie das Taschentuch neben sich auf der Bank aus und wischte ihre Handflächen an der Jeans trocken. Sie schaute auf ihre Armbanduhr, auf der es zwölf Minuten nach zwei war, und gab sich drei Minuten, um sich zu beruhigen, ehe sie weitergehen musste.
Als es Viertel nach schlug, öffnete sie die Klappe der dunkelgrünen Umhängetasche aus Segeltuch auf ihrem Schoß, griff nach dem Taschentuch, das mittlerweile knochentrocken war, und ließ es in die Tasche fallen, ohne es zusammenzufalten. Anschließend stand sie auf, schob sich den Riemen aus Sattelgurt über die rechte Schulter und ging los. Während sie sich der Hornsgatan näherte, legte sich ihre Nervosität ein wenig, und sie redete sich ein, dass alles gutgehen würde.
Es war ein
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