Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
um. Er schien sich zu fragen, warum sie ausgerechnet auf dem windigen Hügelkamm anhielt, witterte keine Gefahr und gab zu erkennen, dass er mit ihrer Entscheidung nicht einverstanden war.
Julie zog ihre Schutzbrille übers Kinn und kniff die Augen gegen den treibenden Schnee zusammen. Sie war sicher, in weiter Ferne eine Bewegung gesehen zu haben, einen Schatten, der sich torkelnd durch das Schneetreiben bewegte. Suchend ließ sie ihren Blick über die verschneiten Hügel gleiten.
Im schwachen Tageslicht, das lediglich einen hellen Schimmer am Horizont aufleuchten ließ, war kaum etwas zu erkennen. Düstere Nebelschwaden hüllten die Hügel ein. Nicht die geringste Bewegung, nur die schattenhaften Umrisse von einigen Fichten, die verloren aus dem blassen Schnee ragten.
Sie glaubte schon, sich geirrt zu haben, als sie bemerkte, wie zuerst Chuck und dann auch die anderen Hunde die Ohren aufstellten und neugierig in die Ferne blickten. Anscheinend hatten sie etwas gewittert, oder ihr Instinkt sagte ihnen, dass irgendwo in der Nähe eine Gefahr lauerte. Chuck straffte seinen Körper, als müsste er einen Angriff abwehren, und gab den anderen Hunden durch seine Körperhaltung zu verstehen, wachsam und auf der Hut zu sein.
Ohne die Reaktion ihrer Huskys wäre Julie wahrscheinlich weitergefahren, doch so blieb sie stehen und suchte noch einmal die Hügel ab, sah plötzlich eine flüchtige Bewegung zwischen den Fichten und einen Schatten, der sich von den Bäumen löste und hinter dem nächsten Hügelkamm verschwand.
Scott Jacobsen?
Oder Nick Harmon ohne sein Snowmobil?
Ohne weiter darüber nachzudenken, fuhr sie los. Ihr war bewusst, welches Risiko sie einging, falls es Harmon war, und ihre eigenen Worte klangen ihr noch in den Ohren: Wenn ich jemanden sehe, kehre ich sofort um! Aber zuerst musste sie wissen, wer sich zwischen den Bäumen versteckt hatte. Wenn es Harmon war, vertraute sie darauf, ihn rechtzeitig zu erkennen, bevor er auf sie anlegte. Im Ernstfall würde sie ihn mit dem Hundeschlitten schnell abhängen. Und wenn es sich um Scott handelte, musste sie ihn einsammeln und zurückbringen. Der arme Kerl irrte schon viel zu lange allein durch die Wildnis.
»Schneller, Chuck! Lauft! Lauft!«, feuerte sie ihre Huskys an. »Sonst geht er uns noch durch die Lappen!« Sie stand geduckt auf den Kufen, sprang runter und schob den Schlitten an, wenn der Schnee zu tief wurde, rief erleichtert: »Jetzt aber, Chuck!«, als sie die nächste Steigung hinter sich hatten und über einen blankgefegten Hügelkamm fuhren. »Heya! Vorwärts, Chuck!«
Mit weiten Sprüngen hetzten die Huskys über den festen Schnee. Sie waren zum Laufen geboren, und es gab nichts Schöneres für sie, als zu beweisen, dass sie einer solchen Herausforderung gewachsen waren. Ihre Kraft und Ausdauer waren kaum zu schlagen, und ein Leithund wie Chuck war sogar dem Anführer eines Wolfsrudels überlegen. Julie glaubte zu sehen, wie seine Augen vor Begeisterung blitzten, als er über den vereisten Hügelkamm lief.
Als sie die einsamen Fichten erreichte, sah sie auch den Schatten wieder. Jetzt war er deutlich als Mann zu erkennen. Es war Scott, er musste es sein. Es sei denn, Harmon hatte sein Gewehr verloren. Sie überließ Chuck die Führung und blickte genau hin, erkannte Scott auch an seiner Körperhaltung und seinen Bewegungen. »Scott!«, rief sie. »Ich bin’s, Julie! Bleiben Sie stehen!«
Scott blieb tatsächlich stehen und drehte sich um, lief dann aber weiter, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. An seine Schneeschuhe hatte er sich noch immer nicht gewöhnt, er stolperte und fiel, rappelte sich auf und torkelte durch den Schnee wie ein Betrunkener. Als er erneut stürzte, warf er seinen Backpack in den Schnee, fiel noch einmal und kroch auf allen vieren weiter.
Julie musste einen Umweg fahren, um mit dem Schlitten nicht in den Tiefschnee zu geraten, erreichte einen weiteren Hügelkamm und fuhr ungefähr zwanzig Schritte neben ihm. »Bleiben Sie stehen, Scott! Nick Harmon ist hinter Ihnen her! Er will Sie umbringen! Kommen Sie, ich bringe Sie zurück!«
Er dachte nicht daran, stehen zu bleiben. Von Panik getrieben, rannte er weiter, auch wenn er längst gemerkt haben musste, dass er gegen sie keine Chance hatte. Nackte Angst hatte ihn gepackt. Der beschwerliche Marsch durch die Wildnis schien seinen Verstand getrübt zu haben, oder er war so besessen von seinem Plan, die Leiche seines Vaters zu finden, dass er auf keinen Zuruf mehr
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