Verschollen in der Pyramide
es ist nicht dein Vater!«, rief Ipuki hinter Setha her, die schon losgestürzt war.
Setha hielt kurz inne: »Woher willst du das wissen? Du hast doch den Namen des Mannes nicht erfahren.«
»Ich habe Mahnud heute bei Morgengrauen noch gesehen. Er war anscheinend auf dem Weg zum Werkzeugplatz!«
Setha seufzte erleichtert auf, dennoch wollte sie sofort zur Hütte ihres Vaters.
»Warum rennst du so?«, fragte Meketre außer Atem. Er hatte Mühe hinterherzukommen, denn der Esel war widerborstig. »Dein Vater kommt doch nie vor Sonnenuntergang aus der Pyramide. Ich verstehe gar nicht, warum du so aufgeregt bist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sache etwas mit Mahnud zu tun hat.«
»Trotzdem«, antwortete Setha nervös, »ich will so schnell wie möglich in die Hütte, vielleicht kommt mein Vater heute schon etwas früher zurück. Meinetwegen kannst du dich um den Esel kümmern, wir sehen uns dann später.«
Setha eilte davon, ohne sich nach Meketre umzudrehen.
Als Setha in die Hütte ihres Vaters trat, schlug ihr stickige Luft entgegen. In dem kleinen Lehmbau gab es keine Fensterschlitze, gelüftet wurde durch die Tür. Setha ordnete die acht Schlafmatten in der Hütte und fegte den kleinen Raum mit einem kurzen Besen aus. Dann schaute sie indie Vorratsgrube in einer anderen Ecke der Hütte. Sie war beinahe leer.
Setha trat vor die Hütte. Sie hatte sich etwas beruhigt, wahrscheinlich hatte Meketre recht: Was sollte das Verschwinden dieses Mannes mit ihrem Vater zu tun haben?
In der vagen Hoffnung, ihren Vater auf dem Heimweg abpassen zu können, lief sie einige Meter in Richtung Baustelle und machte in gebührendem Abstand vor der Südseite der Pyramide halt.
Das Bild hatte sich seit ihrem letzten Besuch verändert. Die gesamte Pyramide hatte zuvor wie ein riesiger Ameisenhaufen ausgesehen, auf dem es allerdings sehr geordnet zuging. Jetzt begann der Ameisenhaufen erst weit unterhalb der Mitte, da die weißen Verkleidungsblöcke bis dorthin bereits glatt poliert waren. Auch die Rampen waren bis zu dieser Stelle von oben nach unten abgebaut worden. Auf den verbliebenen Rampen und den neu aufgebauten Gerüsten waren nur noch die Arbeiter tätig, die die bereits eingefügten Verkleidungsblöcke zuschnitten und mit Sand und Schmirgelsteinen polierten.
Setha dachte daran, wie sie bei ihren früheren Besuchen die Arbeiter vor und hinter den Transportschlitten bemitleidet hatte. Manchmal kamen die Männer, die die schwer beladenen Schlitten mit dicken Seilen zogen, nicht gut genug voran. Dann wurden zu den Männern, die die Schlitten von hinten mit Stangen schoben, noch einige hinzubeordert. Oft reichte auch das Wasser nicht aus, mitdem der sandige oder schlammige Rampenuntergrund befeuchtet wurde. Die Schlitten kamen ins Stocken und der gesamte Betrieb wurde aufgehalten, bis Männer mit Wasserkrügen herbeieilten. Sie schütteten mehr Wasser auf die spiralförmig um die Pyramide herumlaufenden Rampen, damit die Schlittenkufen besser glitten.
Setha bestaunte die strahlend weiße Wand der Pyramide und fragte sich, ob die restlichen Außenarbeiten abgeschlossen sein würden, wenn sie ihren Vater in 30 Tagen abholten.
Sie ging zur Ostseite des mächtigen Bauwerks. Dort hatte sie beim letzten Mal beobachtet, wie eine Statue des Totengottes Anubis vor dem Totentempel des Pharaos vom Sockel gestürzt und zerbrochen war. Jetzt war das Standbild wiederhergestellt und schaute mit schwarzen Granitaugen auf sie herab.
Sie überlegte, ob sie noch die Nordseite der Pyramide aufsuchen sollte, wo sich der Eingang zur Pyramide befand. Für Vater ist es vermutlich doch noch zu früh, dachte sie nach einem Blick zum Stand der Sonne und entschied sich zurückzugehen.
Meketre war immer noch nicht da. Setha schaute den kleinen Weg hinauf und hinunter, ihr Freund ließ sich nicht blicken. Was sollte das bedeuten? Bevor sich Setha richtig ärgern konnte, erschien Meketre schließlich mit dem Esel.
»Es hat lange gedauert, bis ich den Esel zum Weitergehenbewegen konnte, und dann habe ich einen Mann von der Werkzeugstelle getroffen. Ich habe ihn gefragt, ob sie alte oder beschädigte Werkzeuge haben, die sie nicht mehr brauchen. Du weißt ja, die kann mein Vater für sein Holzspielzeug verwenden. Wenn ich die Geräte in Ordnung gebracht habe, werden sie uns sehr nützlich sein.« Meketre zeigte auf einen der Säcke, der an der Seite des Esels herunterhing. »Da, schau, die Dechsel ist mir besonders wichtig.« Meketre öffnete
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