Verschwoerung gegen Baron Wildenstein
den Sattel. “Ich habe leider keine Zeit, um dir alles zu erklären!”, rief er und wandte sich Ansgar zu. “Komm, wir müssen schleunigst zurück zur Burg. Es passt alles zusammen! Erinnerst du dich nicht? Wir trafen Reinhard gestern Abend, als wir das Kloster erreichten. Vermutlich hatte er gerade die Gunst der Stunde genutzt und das Evangeliar entwendet.”
“Das hätte ich ihm niemals zugetraut”, musste Ansgar gestehen. “Ich meine, ein Abortreiniger ist zwar alles andere als hoch angesehen, aber dass er zu so etwas fähig sein könnte!”
“Vergiss nicht, dass er wohl nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat”, erinnerte ihn Wolfram. “Der, der ihm das Geld gegeben hat, benutzte ihn als Werkzeug.”
“Hast du jemanden in Verdacht?”
“Noch nicht.”
*
Als sie die Burg erreichten, regte sich dort das erste Leben. Das galt sowohl für das Lager der Mannen des Grafen Gernot als auch für die Burgbewohner. Schließlich sollte am Nachmittag das große Turnier stattfinden, für das noch Vorbereitungen zu treffen waren.
Wolfram und Ansgar preschten mit ihren Pferden bis zum Palas. Das Wichtigste war jetzt, den Burgherrn über das zu informieren, was die beiden Jungen herausgefunden hatten.
“Wo ist der Baron?”, fragte Wolfram einen der Wachtmeister, der gerade gähnend aus dem Palas herauskam. Offenbar hatte er die Nacht im Festsaal verbracht.
“Keine Ahnung!”
Wolfram rannte durch den Eingang des Palas und die Treppe hinauf zum Festsaal im ersten Stock. Ansgar versuchte ihm zu folgen.
Im Festsaal fand Wolfram den Baron nicht. Dafür aber Maria. Die Küchenkinder und einige Mägde hatten offenbar den Auftrag, die Spuren des gestrigen Festes zu beseitigen.
“Wolfram!”, entfuhr es dem Mädchen.
“Ist unser Burgherr schon auf den Beinen?”, fragte er atemlos.
“Er war gerade kurz hier. Was ist denn los?”
Wolfram nahm sie einfach bei der Hand und zog sie zur Seite. Die anderen brauchten nicht zu hören, was er ihr zu sagen hatte. “Ich weiß jetzt, wer das Evangeliar gestohlen hat!”, brachte er keuchend heraus. “Es war der Abortreiniger …” Dann erzählte er in knappen Worten, was er herausgefunden hatte.
“Ich habe den Abortreiniger letzte Nacht getroffen”, berichtete Maria. “Er kam aus dem Turmzimmer, als ich einen Korb mit Leckerbissen zur Burgherrin brachte.”
“Dem Turmzimmer?”, vergewisserte sich Wolfram. Er runzelte die Stirn.
“Ja! Ganz sicher!”
“Ich glaube, jetzt begreife ich!”, murmelte Wolfram. “Vielleicht sollten wir uns mal ansehen, was er dort ob zu schaffen hatte!” Er wandte sich an Ansgar. “Such du den Baron! Sag ihm, er soll unbedingt ins Turmzimmer kommen! Und zwar schnell!”
*
Wolfram und Maria stiegen hinauf zum Turmzimmer. Wolfram nahm immer mehrere Stufen der steilen Treppe mit den rutschigen und teilweise recht abgetretenen Stufen auf einmal. Maria folgte ihm. Schließlich erreichten sie das Turmzimmer und traten ein. Sie sahen sich um.
“Keine Ahnung, was der Kerl hier wollte, Wolfram”, sagte Maria. “Aber ich verstehe auch ehrlich gesagt nicht, warum das so wichtig ist!”
“Ich denke, dass das Buch der sieben Siegel sich hier irgendwo befindet.”
“Aber warum das? Das macht doch keinen Sinn!”
Wolframs Blick wirkte sehr konzentriert. Schließlich blieb er an einem Stein der Wand haften. Im Gegensatz zu den anderen war er nicht von Fugen umgeben. Wolfram trat auf die Stelle zu, berührte den Stein mit den Händen und zog ihn heraus.
“Fass mit an, ich schaffe es nicht allein!”, rief er.
Maria zögerte nicht, sondern griff zu.
Gemeinsam setzten sie den Stein auf dem Boden ab.
“Ein Geheimfach!”, stellte das Mädchen erstaunt fest.
In diesem Augenblick betrat der Burgherr das Turmzimmer. Die Hand hatte er am Schwert. Ansgar folgte ihm.
“Was fällt euch ein!”, entfuhr es Baron Norbert erbost.
Wolfram griff in das Innere des Geheimfachs und hob ein sorgfältig in Leinentuch verpacktes Bündel heraus. “Ich wette, dies ist es, was Ihr sucht, Baron!” Wolfram überreichte dem Burgherrn das Bündel.
Baron Norbert nahm es und legte auf den Tisch, der in der Mitte des Raumes stand.
Er griff nach dem Messer, das er am Gürtel trug, und zerschnitt damit die bunten Bänder, die das Bündel zusammenhielten. Im nächsten Moment kam unter dem Leinen das kostbare Evangeliar zum Vorschein. Das Buch der sieben Siegel.
Baron Norbert sah seinen Pagen streng an. “Ich glaube, du musst mir einiges
Weitere Kostenlose Bücher