Verschwörung im Zeughaus
deutete auf Tilmanns Bauchdecke, die sich leicht hob und senkte. «Aber ich kann wirklich nicht voraussagen, wie lange noch.»
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2. KAPITEL
N achdem Jupp den verwundeten Hauptmann verarztet hatte, war er wieder nach nebenan gegangen. Marie erklärte sich bereit, an Tilmanns Krankenbett zu wachen, damit sich Adelina um ihren Haushalt und die Apotheke kümmern konnte.
Adelina war nicht wohl dabei, doch da Tilmann offenbar nicht wollte, dass jemand von seiner Anwesenheit in ihrem Haus erfuhr, war es wohl das Beste, den alltäglichen Arbeiten nachzugehen. Sie schickte Mira in Begleitung Ludowigs los, um einige bestellte Arzneien auszuliefern, und wies Griet an, mit der Destille im Hinterzimmer Weingeist herzustellen. Franziska war derweil mit Vitus auf den Weg zum Flickschuster. Adelina machte sich daran, das Konfekt, das sie am Vortag bereits vorbereitet hatte, mit einem gleichmäßigen Zuckerüberzug zu versehen.
Es war gerade eine Stunde hell, und sie erwartete Neklas jeden Augenblick von seiner Nachtwache zurück, als jemand heftig an der Haustür pochte. Augenblicke später ertönte eine dunkle Männerstimme: «Magister Burka? Meisterin? Ist jemand zu Hause?»
«Natürlich, tretet ein!» Eilig ging Adelina zur Tür und öffnete sie. Zu ihrer Überraschung sah sie sich dem neuen Vogt, Gerlach Haich, sowie einem der städtischen Büttel gegenüber. Eine böse Ahnung beschlich sie, doch sie ließ sich nichts anmerken.
«Wie kann ich Euch helfen, Herr Vogt?» Fragend musterte sie den schlanken, hochgewachsenen Mann, dessen schwarzes Haar im Nacken kurz geschoren und an den Schläfen bereits ergraut war. Seine grauen Augen blickten streng, aber freundlich in ihre Richtung, doch er schien ein wenig zu schielen. Die lange Hakennase und das etwas spitze Kinn gaben ihm ein ziegenhaftes Aussehen.
«Guten Morgen, Meisterin Burka», grüßte er. «Verzeiht die Störung. Wisst Ihr, wo sich Euer Bruder aufhält?»
«Mein Bruder?»
«Der Hauptmann, Tilmann Greverode. Der ist doch Euer Bruder, oder etwa nicht? Ist er hier im Haus?»
«Tilmann ist mein Bruder.» Adelina nickte und spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufrichteten. Doch sie behielt weiterhin ein gleichmütiges Gesicht. «Leider weiß ich nicht, wo er sich gerade aufhält. Ich habe ihn schon seit einigen Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen. Es heißt, er sei zuletzt viel für den Rat auf Reisen gewesen. Aber auch wenn er in der Stadt ist, besucht er mich nicht oft. Warum glaubt Ihr, dass er hier sein könnte?»
«Weil er nicht so dumm sein wird, sich in seinem eigenen Haus zu verstecken», antwortete der Vogt mit einem dünnen Lächeln, das Adelina nicht gefiel.
«Was soll das heißen?», fragte sie. «Warum sollte er sich verstecken?» Ihr Herz begann unangenehm gegen ihre Rippen zu pochen.
«Weil er einen Mord begangen hat, Meisterin», sagte der Vogt ohne jegliche Regung. «Gestern Abend oder heute Nacht. Es kann nicht lange her sein.»
Adelina wurde blass und fühlte einen Schauer über ihr Rückgrat kriechen. «Was sagt Ihr da? Einen Mord?» Energisch schüttelte sie den Kopf. «Niemals. Mein Bruder ist ein Ehrenmann und Hauptmann der Kölner Stadtsoldaten. Kein Mörder.» Sie hielt inne. «Wen soll er denn angeblich umgebracht haben?»
«Clais van Dalen, den zweiten Kölner Hauptmann.»
«Mutter, wer ist denn da?» Griet hatte die Apotheke durch die Tür zum Hinterzimmer betreten. Als sie den Vogt sah, kam sie zögernd näher. «Stimmt etwas nicht?»
«Das ist vollkommen unmöglich!», rief Adelina erschüttert. «Clais und Tilmann sind … waren gute Freunde. Warum sollte Tilmann ihn umbringen?»
«Mutter?» Griet griff entsetzt nach Adelinas Arm. «Was hat das zu bedeuten?»
«Geh wieder zur Destille, Kind», murmelte Adelina und warf Griet einen vielsagenden Blick zu.
Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. «Auf keinen Fall, Mutter.»
«Er ist also ganz sicher nicht hier im Haus?»
«Nein.» Adelina verschränkte die Arme vor dem Leib.
«Aber Ihr gebt mir oder dem Gewaltrichter Reese umgehend Bescheid, wenn er hier auftaucht?»
«Er hat niemanden getötet», beharrte sie anstelle einer Antwort. «Das ist verrückt.»
«Leider haben wir stichhaltige Hinweise, dass er es war», erklärte der Vogt und behielt noch immer diesen freundlich-kühlen Tonfall bei, der, gepaart mit seinem Lächeln, plötzlich feindselig auf sie wirkte. «Man hat seinen Dolch blutbesudelt neben dem Toten
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