Verschwörung im Zeughaus
dessen frechen Mundwerks sehr ins Herz geschlossen hatte, behielt sie sie nun auch als Gesellin. Zumindest vorerst. Schon einmal hatte Miras Vater versucht, sie günstig zu verheiraten, ausgerechnet an Adelinas Bruder Tilmann Greverode. Mira hatte sich gesträubt, und Tilmann war schließlich vom vereinbarten Vertrag zurückgetreten, doch bedeutete das sicher nicht, dass der Graf von Raderberg von seinen Plänen bezüglich seiner Tochter inzwischen abgerückt war. Wenn sich ein anderer Bräutigam fand, würde er zugreifen, ob Mira wollte oder nicht. Hübsch, wie sie war, und nunmehr neunzehn Jahre alt, würde es an Interessenten ganz sicher nicht mangeln.
Ehe Adelina die Küche betreten konnte, kam ihr jüngerer Bruder Vitus aus seiner Kammer, ein zerfetztes Stück Lederriemen in Händen haltend.
«Lina, guck mal!», rief er anklagend. «Mein Gürtel ist entzwei. Was mach ich denn jetzt?»
Adelina blieb stehen und nahm dem hochgewachsenen jungen Mann mit dem leicht schiefen, aber dennoch recht anziehenden Gesicht den Riemen ab.
«Wie ist das denn geschehen?», fragte sie, wartete aber nicht auf eine Antwort. «Nimm den breiten braunen Gürtel, den du von Frau Benedikta geschenkt bekommen hast, als sie das letzte Mal hier war.»
«Aber der ist doch viel zu fein für alle Tage.»
«Mag sein, aber ohne Gürtel kannst du ja wohl nicht herumlaufen», erklärte sie. «Ich werde dir einen neuen anfertigen lassen. Franziska muss sowieso mit einem Korb voll Schuhe zum Flickschuster, dann kann sie auch gleich zum Riemer gehen.»
«Darf ich mit? Ich passe auch auf Ziska auf.» Hoffnungsvoll blickte ihr Bruder sie an. Er war kräftig, besaß jedoch leider nur den Verstand eines kleinen Kindes. Adelina ließ ihn so gut wie nie allein hinausgehen, aus Angst, er könne in seiner Tolpatschigkeit ein Unheil anrichten oder – fast noch schlimmer – von seinen Mitmenschen geschmäht werden. Doch in Franziskas Gesellschaft würde so etwas nicht passieren. Ihre junge Magd war nicht auf den Mund gefallen und sehr beherzt, wenn es darum ging, die ihr Anvertrauten zu verteidigen.
«Also gut, Vitus, meinetwegen. Aber benimm dich anständig und tu, was Franziska dir sagt.»
«Mach ich doch immer!», rief Vitus begeistert und drehte sich rasch um. «Ich hol meinen Mantel!»
«Halt!» Adelina bekam ihn gerade noch am Ärmel seines Hemdes zu fassen. «Du suchst jetzt erst einmal deinen anderen Gürtel, und dann wird gefrühstückt. Franziska bricht erst am späten Vormittag auf.»
«Muss ich wirklich etwas essen?», fragte er enttäuscht.
«Hast du denn keinen Hunger?»
«Doch.»
«Na also. Geh und zieh dich fertig an.» Nachsichtig gab Adelina ihrem Bruder einen Klaps auf den Arm und betrat nun endlich die Küche, in der es angenehm nach Ofenfeuer und Hirsebrei duftete. Der neue Brotteig, den sie vorhin angesetzt hatte, stand auf drei Schüsseln verteilt in dem deckenhohen Holzregal neben der Tür. Magda, mittlerweile sechzig Jahre alt, ließ es sich trotz der schmerzenden Knoten in ihren Fingern nicht nehmen, Holzscheite nachzulegen und mit dem schweren Schürhaken zu hantieren.
Unter der Ofenbank hockten Fine, die schwarz-weiße Katze, und Moses, der sandfarbene, wuschelige Hund, der Adelina vor sieben Jahren in einer Gewitternacht zugelaufen war und seither Haus, Hof und vor allem seine von ihm angebetete Herrin bewachte. Die beiden Tiere teilten sich eine Mischung aus Speckresten und Brei und eine Schale Wasser.
«Soll ich Vater von dem Hirsebrei aufheben?», fragte Griet, die gerade dabei war, das Essen in die Holzschalen auf dem Tisch zu verteilen. «Bestimmt ist er hungrig, wenn er vom Wachdienst zurückkommt.»
«Ja, stell ihm etwas davon beiseite», stimmte Adelina zu. «Obwohl er vermutlich erst einmal ins Bett fallen und bis zum Mittag schlafen wird. Die Nachtwache an der Ulrepforte ist immer besonders anstrengend.»
«Er hat gestern Nachmittag noch einen neuen Versuch angefangen», erzählte Griet, während sie die Portion Brei für ihren Vater abmaß. «Ich könnte ihn nachher weiterführen, damit wir –»
«O nein, Griet, das lässt du schön bleiben.» Entschieden schüttelte Adelina den Kopf. «Ich möchte nicht, dass du allein im Laboratorium hantierst, es sei denn, du stellst Aqua Ardens her. Und das kannst du auch mit der Destille im Hinterzimmer tun.»
«Aber …»
«Kein Aber, Griet. Ich will nicht, dass dir so ein Experiment mal danebengeht.»
«Das ist mir noch nie passiert!» Enttäuscht zupfte
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