Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Zorn oder im Zeichen der Nostalgie? Wohl beides. Die Gesellschaft, die Creme der Monarchie und deren Lebensverhältnisse, die Bánffy beschwor, sie waren, zumal in dem 1920 rumänisch gewordenen Siebenbürgen, ein Vierteljahrhundert nach der im Roman geschilderten Epoche schon weit entschwunden. Uns Heutigen mutet eine Welt vollends archaisch an, in der sich die adeligen Herrschaften verpflichtet fühlten, zur Treibjagd in grünem Rock mit Goldknöpfen zu erscheinen, Mütter unter Androhung der Enterbung darüber zu befinden hatten, wen ihre Söhne heiraten durften, und wo das Gesetz, von niemandem in Frage gestellt, einer Frau das Recht absprach, sich von ihrem unheilbar geistesgestörten Mann scheiden zu lassen.
Sah sich Bánffy selber als Teil dieser Vergangenheit, oder sagte er sich mit der Siebenbürger Trilogie, seinem Hauptwerk, von der einstigen Oberschicht los? Auch da tut man wohl gut daran, die Antwort mit einem Sowohl-als-auch zu geben. Die unbestechliche Enthüllung aller Torheiten und Schwächen dieser Gesellschaft und die wehmütige Liebe zu ihr gehen im Roman Hand in Hand; Anklage und Verzweiflung wegen der Verschleuderung der von den Ahnen gesammelten Schätze – des Landes und der eigenen Stellung – mischen sich mit dem Lob einer verfeinerten und in ihrer Vornehmheit für selbstverständlich gehaltenen Lebensform. Letztlich bleibt es dem Leser überantwortet, wie er die Akzente setzen will.
Mit Gewissheit fest aber steht eines: Manch ein Buch in mancher Sprache, darunter auch das eine oder andere Meisterwerk, hat die Spätzeit der Donaumonarchie zum Thema. Miklós Bánffys »Siebenbürger Geschichte« ist unter ihnen insofern einzigartig, als hier ein Autor spricht, der, selber der Oberschicht zugehörig, sowohl den Glanz von einst als auch das Sinken und den Untergang aus innerer Kenntnis der tonangebenden Aristokratie darzustellen vermag. Ein literarischer Glücksfall.
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