Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Mickey und ich begannen damit, die Ausstellungsräume zu durchsuchen, wo Corvettes, Aveos, Silverados und Hummer herumstanden. »Janie!«, rief ich immer wieder. Meine Stimme hallte durch die riesigen Räume, bis das Echo schließlich erstarb. Die plötzliche Stille machte mir bewusst, wie leer und tot alles ringsum war. Dann hörte ich in der Ferne Texas Janies Namen rufen. Jetzt hatten wir uns also aufgespalten, waren zwar bewaffnet, aber liefen vereinzelt herum, und das war schlicht und einfach gefährlich. Mir brach der Schweiß aus, und in meinem Bauch stach es wie von 1.000 Nadeln. Einerseits war ich ernsthaft sauer auf Janie, weil sie uns in diese Lage gebracht hatte, andererseits hatte ich die schlimmsten Befürchtungen. Was, wenn sie gar nicht freiwillig verschwunden war? Was, wenn jemand sie sich geschnappt hatte?
Meine Güte, während wir wie aufgeregte Hühner auf Futtersuche durch die Gegend rannten, hatte jemand Janie vielleicht längst an einen dunklen Ort voller Spinnenweben verschleppt und riss ihr dort das Fleisch von den Knochen.
Fortwährend um mich blickend, beschleunigte ich meine Schritte und rief immer wieder nach Janie. Mickey tat es mir mit merklichem Mangel an Begeisterung nach. Ich hatte vor Augen, dass ich wohl noch Stunden nach Janie suchen würde, ohne irgendeinen Hinweis auf ihren Verbleib zu finden. Und schließlich würde ich mir eingestehen müssen, dass sie unwiederbringlich fort war. Bei dem Gedanken fühlte ich mich innerlich leer. Und jedes Mal, wenn Texas’ oder Carls Rufe nach Janie kurz ausblieben, war ich mir sicher, dass das, was sich Janie geschnappt hatte, nun auch die beiden erwischt hatte. Irgendetwas Hinterhältiges, Verschlagenes – so schrecklich, dass es meine Gefährten still und leise hatte überwältigen können, ohne dass ein Schrei oder ein Schuss zu hören gewesen war.
Ich kam mir wie in einem dieser alten Spukhausfilme vor. Dort verschwinden Menschen wie in den Krimis von Agatha Christie: immer einer nach dem anderen. Ein paarmal sah ich mich nach Mickey um, nur um mich zu vergewissern, dass sie noch da war. Wenn ich bis dahin nicht gewusst hatte, wusste ich jetzt, wo meine Achillesferse lag: Ich hatte absoluten Horror vor dem Alleinsein. Das war mein schlimmster Albtraum, und genauso würde meine persönliche Hölle wohl irgendwann aussehen. Ich allein in einer toten Welt.
Das erinnerte mich an eine Geschichte, die ich mal während der Schulzeit gelesen hatte. Es war die kürzeste Geschichte, die man sich vorstellen kann, und all die Jahre hatte ich die grausamen Zeilen im Hinterkopf bewahrt:
Der letzte Mensch auf Erden saß allein in einem Zimmer.
Da klopfte es an die Tür.
Als ich um einen Chevy Avalanche bog und zu den staubigen Fenstern sah, glaubte ich – nicht zum ersten Mal – einen Schatten gesehen zu haben, der daran vorbeiglitt. Keine menschliche, aufrecht gehende Gestalt, sondern ein geducktes, deformiertes Wesen, das einem Troll im dunklen Zauberwald ähnelte.
»Nash«, sagte Mickey schließlich und hakte mich ein. »Nash, ich weiß ja, dass du viel für Janie übrig hast, und das ist ja auch schön und gut. Und ich weiß auch, dass sie eine von uns ist und wir sie nicht verlieren wollen. Aber Mann, hab ich ein schlechtes Gefühl! Es läuft mir wirklich kalt über den Rücken. Und ich halte es für einen sehr schlechten Zeitpunkt, sich so wie jetzt aufzuspalten.«
Am liebsten hätte ich sie angebrüllt, sie möge sich zum Teufel scheren, aber sie hatte ja recht. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass in der Nähe irgendetwas lauerte. Mehr als einmal hatte ich mich gefragt, ob irgendwelche menschlichen Arschlöcher oder auch namenlose Wesen diese ganze Gesichte inszeniert haben könnten: Vielleicht hatten sie Janie entführt, damit wir uns auf der Suche nach ihr aufspalteten, denn dann konnten sie uns schneller und einfacher erledigen.
Ich legte Mickey eine Hand auf die Schulter. »Hör mal, geh in die Büros hinüber, such nach Texas und bleib bei ihm. Und holt auch Carl dazu. Ich geh Janie suchen.«
»Nash ...«
»Vergiss es. Zieh los.«
Zum Abschied schenkte sie mir einen langen Blick, in dem Sehnsucht oder auch Mitleid liegen mochte, und ihr langes Haar schwang hin und her. Wie gesagt, ich wollte keineswegs allein sein, doch in Situationen wie dieser zog ich lieber keine anderen mit hinein, weil ich mir sonst auch noch Sorgen um sie machen musste. Während ich abwartend stehen blieb, fühlte ich mich wie elektrisiert. Nervös
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