Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
zündete ich mir eine Zigarette an. Der Rauch schmeckte unangenehm bitter, der Geruch brachte mich fast zum Würgen und der Filter verbrannte mir die Lippen. Zuerst verstand ich das nicht, rechnete schon mit einer Panikattacke, doch dann war mir alles klar: Mein Körper hatte sich auf Kampfmodus umgestellt. Jeder Muskel war angespannt, die Nerven vibrierten, mein Gehirn drängte das sensorische Netzwerk zu Höchstleistungen, sodass alle fünf Sinne auf feinste Wahrnehmungsstufe geschaltet waren. Nichts würde mir entgehen, nichts würde mich überraschen oder in psychischer Hinsicht umwerfen.
Als ich Mickey zusammen mit Texas nach Janie rufen hörte, drückte ich die Zigarette aus und stürmte durch die Ausstellungsräume. Mein Herz schlug so laut wie eine Kesselpauke. Schließlich fand ich eine Doppeltür, die zur Karosseriewerkstatt hinunterführte. Und dort wollte ich unbedingt hinunter, obwohl ich jetzt auch noch andere Türen bemerkte.
Meine Schritte hallten in der weiträumigen Werkstatt wider. Immer noch warteten hier verstaubte Wagen auf neue Kotflügel, Türen oder Seitenteile. Es roch nach uralter Grundierfarbe und Spachtelmasse. Ich musterte die Werkzeugbehälter, rannte zur Farbspritzkabine hinüber, schnüffelte in den Ersatzteillagern herum. Schließlich ging ich in ein Büro und rieb eine Stelle an der verrußten Fensterscheibe frei. Und da erkannte ich jemanden auf der anderen Straßenseite.
4
Mit rasender Wut durchquerte ich die Räume, bis ich endlich eine offene Tür nach draußen fand. Während ich zu Janie rannte, drehte sie sich nur kurz um und ging einfach weiter. Mit gezückter Waffe nahm ich jeden Abfallhaufen, jede dunkle Seitengasse, jeden umgekippten Müllcontainer und jedes zersprungene Fenster aufs Korn. Augen. Ich konnte Augen auf mir spüren, Blicke, die sich in mich hineinbohrten.
Als ich Janie eingeholt hatte, riss ich sie zu mir herum. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, einfach abzuhauen, du kleiner Schwachkopf?«, brüllte ich sie an und starrte ihr dabei ins Gesicht.
Ihr Gesicht sah furchtbar aus. Vor Kummer zusammengekniffen, vom Weinen verquollen. Und trotzdem umwerfend schön. Am liebsten hätte ich sie in meine Arme genommen und nicht mehr losgelassen, denn ich erkannte darin, wie sie als kleines Mädchen ausgesehen haben musste. Herzzerreißend schön, atemberaubend schön und so verletzlich, dass man sie stets beschützen und alles Böse von ihr fernhalten wollte.
»Janie ... Bitte!«
Sturheit und Wut waren von ihr abgefallen, und es waren nur Schmerz und Traurigkeit übrig geblieben. Sie war nur noch eine leere Hülle, innerlich gebrochen. »Rick ... Lass mich einfach gehen. Ich kann so nicht weitermachen.« Ihre Stimme klang nicht theatralisch, sondern nur zu Tode erschöpft. »Ich kann nicht damit weitermachen, Menschen das Leben zu nehmen. So bin ich nicht, das hab ich nicht in mir. Ich hab mich blind gestellt, solange ich es konnte, aber das geht jetzt nicht mehr. Tut mir leid.«
»Janie ... Komm schon! Tu das nicht!«
Sie strich mir leicht übers Gesicht und lächelte schwach. »Ich will dir nicht wehtun und den anderen nicht zur Last fallen, aber ich kann so nicht weitermachen. Kehr einfach zu den anderen zurück, sie brauchen dich. Ich zieh jetzt weiter und möchte nicht, dass du mir folgst.«
Es verschlug mir die Sprache.
»Tut mir wirklich leid, Rick. Ich weiß, dass du mich für schwach hältst, und damit hast du sogar recht. Aber das, was wir tun, kann ich vor mir selbst nicht mehr verantworten. Also werde ich gehen und dem Schicksal seinen Lauf lassen. Ich bin innerlich nicht stark genug, um mich umzubringen, folglich ist das die einzige Möglichkeit. Leb wohl, Rick.«
Sie drehte sich um und ging weiter, aber ich holte sie sofort wieder ein. »Das kannst du nicht machen! Ich werde es nicht zulassen. Ich kann dich nicht wie einen streunenden Hund auf der Straße verrecken lassen!«
»Du kannst mich nicht davon abhalten, ich gehöre dir nämlich nicht.«
»Es wird ja nicht immer so schlimm wie jetzt bleiben«, beteuerte ich wider besseres Wissen.
»Es gibt keine Zukunft für uns, Rick. Nimm’s hin.«
Als sie mich mit diesen Worten stehen ließ, hatte mich mein Kampfgeist völlig verlassen. Ich war hilflos, wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Im Grunde verstand ich sie ja. Janie hatte kein Ziel mehr im Leben und sah keinen Grund, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Wir anderen gaben uns Selbsttäuschungen hin. Eigentlich hatte
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