Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
nicht, deshalb geschieht das, was wir hier vor uns haben: Ein Mensch verwandelt sich in eine zerfallende Fleischmasse, die sich verflüssigt.«
Price erzählte mir, er sei bei dem auf Seuchen spezialisierten Medizinischen Forschungsinstitut der amerikanischen Armee in Fort Detrick, Maryland, angestellt gewesen. Nach den Bombardierungen hatten die Wissenschaftler noch mehrere Monate weitergearbeitet und gemeinsam mit der Seuchenschutzbehörde den Ausbruch ansteckender Krankheiten verfolgt und untersucht. Nach Ende des nuklearen Winters hatte eine Seuche nach der anderen im Land gewütet. Im späten Januar waren dann die ersten Berichte über ein höchst ansteckendes hämorrhagisches Fieber aufgetaucht. Nach den frühen Fällen in Baltimore hatte sich die Seuche wie ein Lauffeuer im Nordosten der Vereinigten Staaten verbreitet und Pennsylvania, Maryland, Virginia und New York heimgesucht, bis es schließlich Ohio erreichte. Die Symptome ähnelten denen des Ebolafiebers und des Marburg-Virus – beide gehören zur Familie Filoviridae –, nur war diese Seuche noch viel bösartiger.
»Es blieb uns einfach nicht genügend Zeit, diese schlimmere Virusart vollständig zu untersuchen«, sagte Price. »Und so konnten wir auch nicht genau bestimmen, wie die Seuche übertragen wird, ob durch Luft, persönlichen Kontakt, Körperflüssigkeiten oder auf jedem dieser Wege. Meiner Meinung nach spricht jedoch alles dafür, dass die Ansteckung auf alle drei Arten funktioniert.«
»Und was ist dann passiert? Wieso bist du ausgerechnet in Des Moines gestrandet?«
»Ich bin hier geboren. Als Ebola X fast alles Leben in Maryland vernichtet hatte, sind viele von uns geflüchtet. Ich bin zu meiner Familie in Des Moines zurückgekehrt.« Er lachte bitter. »Hab sie alle sterben gesehen, einen nach dem anderen. Nicht an Ebola X, sondern an der Strahlenkrankheit, Typhus und Cholera. Mein Bruder starb vermutlich an der septikämischen Pest. Die Familie meiner Schwester blieb von allem verschont, aber dann haben sich die Kriegsbeil-Clans ihrer angenommen.«
»Wie ist das Virus überhaupt zu uns gelangt? Natürlich hab ich von den Ausbrüchen in Afrika und in Washington D. C. gehört, aber in Washington haben sich doch nur Affen infiziert.«
Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Wir hätten einfach mehr Zeit gebraucht, um das zu untersuchen. Vermutlich hat irgendjemand aus Afrika das Virus bei uns eingeschleppt. Es kursierte auch das Gerücht, das Sanitätsführungskommando der Armee habe einen Ebola-Strang als biologische Waffe einsetzen wollen. Im Chaos der letzten Kriegstage könnte das Virus aus den Labors entwichen sein. Offenbar haben russische Virologen am Forschungsinstitut für Virologie und Biotechnologie, »Vector« genannt, einen Strang des Marburg-Virus zur biologischen Waffe konvertiert. Vielleicht ist sie in die Hände von Bioterroristen geraten, wer weiß? Man kann da nur Vermutungen anstellen.«
Ich riskierte ein dumme Frage. »Könnte ... Wäre es grundsätzlich möglich, dass ein Virus einen ganzen menschlichen Körper übernimmt?«
»Du meinst, ob es einen Menschen in ein einziges wandelndes Virus verwandeln kann?« Er schüttelte den Kopf, aber ich sah kurz Unsicherheit in seinem Blick aufblitzen. »Dann würden wir dem Virus wohl allzu viel zutrauen. Es müsste sich ja perfekt mit den Wirtszellen assimilieren; von denen sind aber viele höchst komplex, beispielsweise die Nervenzellen.«
Ich dachte dabei an meinen Traum von der Medusa, die den Tod brachte – ein ungeheurer Seuchenherd, der uns verfolgte, uns stets auf den Fersen blieb und in diesem zerstörten Land eine Stadt nach der anderen in einen Friedhof verwandelte. Zweifellos waren das Ebola-Virus und verwandte Krankheitserreger unter dem Einfluss der Strahlung mutiert und mutierten immer noch. Geistig sah ich, wie sie sich von Woche zu Woche und über zahllose Generationen hinweg weiterentwickelten und jedes Mal an Komplexität zunahmen. Bis sie sich schließlich in ein teuflisch intelligentes und unglaublich tödliches Gebilde verwandelt hatten. Allerdings erwähnte ich das gegenüber Price mit keinem Wort.
»In der mikroskopischen Welt bilden Viren das Verbindungsglied zwischen lebenden und nicht lebenden Organismen«, fuhr er fort. »Sie sind sozusagen die Untoten. Lebendig agieren sie nur in Kontakt mit lebenden Zellen. Als Parasiten sind sie, was biologische Prozesse betrifft, vollständig von ihren Wirtskörpern abhängig. Mehr oder weniger sind sie
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