Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
– große schmutzige Ratten, deren Augen wie rote Glühbirnchen an Weihnachten leuchteten. Sie ließen uns vorbei, aber nicht aus den Augen.
Immer wieder hörte ich etwas hinter mir, das wie das Scharren kleiner Füße klang. Vielleicht war es auch nur das Echo unserer Bewegungen, denn hier unten hallte alles wider. Doch je weiter wir gingen, desto fester war ich davon überzeugt, dass es etwas anderes sein musste.
Irgendwann blieb Sean stehen. »Hörst du was?«, fragte er mich.
»Allerdings.«
Jetzt konnten wir alle es deutlich hören: ein Scharren und Quieken wie von einer ganzen Rattenmeute. Und die Geräusche wurden immer lauter. Ich hatte schon früher mit Ratten zu tun gehabt. Schlimm genug, wenn es nur wenige waren, aber wenn sie in Scharen auftraten, steckte man wirklich in der Klemme.
»Vorwärts!«, befahl Sean.
Wir hasteten durch den Tunnel, was einfacher klingt, als es war, denn wenn man durch 30 Zentimeter hohes Wasser waten muss, kommt man nach einer Weile nur noch mühsam voran. Sean, der den Weg kannte (zumindest hoffte ich das), führte uns durch Nebentunnel und immer wieder zurück zum Haupttunnel. Es war ein ständiges Hin und Her, sodass ich irgendwann die Orientierung verlor. Als wir eine Bruchstelle in der Mauer erreicht hatten, stiegen wir vorsichtig in einen dahinterliegenden Keller. Die Stockwerke darüber fehlten, sodass wir in den Himmel blicken konnten – offenbar war das Gebäude explodiert. Die Sonne sah wirklich einladend aus, aber wir hatten keine Möglichkeit, zur Erdoberfläche zu gelangen. Also kehrten wir ins Tunnelnetz zurück und wählten eine weitere Abzweigung.
Plötzlich blieb Sean stehen. »Ein Trog«, fluchte er, entspannte sich aber gleich wieder. »Ist nur eine verdammte Leiche.«
Der Trog steckte in einer kleinen Mauernische fest und stand aufrecht da, die Hände vor der Brust gefaltet. Der Körper war grau und verwittert – nahezu schon mumifiziert – und mit einem feinen grünen Geflecht überzogen.
Schließlich stießen wir auf einen weiteren düsteren Keller, in dem das Wasser kniehoch stand. Ringsum ragten zerstörte Balken und geborstene Betonmauern auf, die mich an Stützpfeiler in einem Hafenbecken erinnerten. In dem von Blättern übersäten fauligen Wasser trieben Leichen und Leichenteile. Mein Blick fiel auf menschliche Knochen: hier ein Brustkorb, dort ein ausgebleichter Oberschenkelknochen. Die Luft roch nach Blut und Fleisch, was mir überhaupt nicht gefiel.
Und dann entdeckten wir hinter einem Schutthaufen auch noch ein Rattennest.
11
»Scheiße«, fluchte Sean, richtete die Stirnlampe auf das Rattennest und zückte die Waffe. Wir taten es ihm nach. Hinter uns hörte ich das Quieken und Scharren der Rattenmeute, die uns verfolgte. Allmählich setzte sich der Gedanke in mir fest, dass die Kriegsbeil-Clans vielleicht nicht so schlimm waren wie diese Meute.
»Wir müssen die töten«, meinte Specs.
»Nein, nur, wenn uns keine andere Wahl bleibt«, erwiderte ich. »Hat keinen Zweck, sie zu reizen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Wenn wir auf sie schießen, sind sie gezwungen, sich zu verteidigen.«
»Schlauer Gedanke«, bemerkte Sean.
Mindestens acht saßen auf einer eingestürzten Mauer – riesige, dickbäuchige Ratten, deren rote Augen funkelten. Einige knabberten an einer weißen, aufgedunsenen Masse herum: ein von Maden übersäter menschlicher Arm, wie ich gleich darauf erkannte. Eine der Ratten, aus deren Bauch wurmartige Auswüchse baumelten, fixierte mich und machte dabei obszöne schmatzende Geräusche. Sie hatte die Zähne gebleckt und die Krallen so gespreizt, als wollte sie sich gleich auf mich stürzen. Ihr schmieriges schwarzes Fell war gesträubt und zuckte so, als wimmelte es darin von Läusen. Während ich sie ebenso angewidert wie verblüfft beobachtete, löste sich ein wabbeliger weißer Parasit, so groß wie ein Geleebonbon, von ihrem Rücken.
»Ihr seid liebe kleine Ratten«, murmelte Sean beschwichtigend, während er an ihnen vorbeiging. »Wir sind nur auf der Durchreise. Wollen euch nichts Böses.«
Nachdem wir die Ratten und einen Schuttberg hinter uns gelassen hatten, stellten wir fest, dass der Keller in eine Art Höhle überging. Von der Decke hingen Baumwurzeln herunter und aus dem Wasser ragte jede Menge Schrott, sogar einige verrostete Stahlträger. Und überall waren menschliche Knochen zu sehen, so sauber und strahlend weiß, als hätte jemand sie abgeschleckt. Ich stieß auch auf einige menschliche
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