Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
und dem verdreckten, verschwitzten Gesicht sah er aus wie ein Bergarbeiter, der gerade aus einem Stollen gekrochen ist. Als er merkte, dass wir ihn musterten, grinste er und lachte dann leise. »So eine Scheiße aber auch. Ich hab unterwegs meinen verdammten Trogkopf verloren!«
12
Sean war eindeutig verrückt, das können Sie mir glauben.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Auch ich war nach unserem Abenteuer in der Kanalisation fix und fertig. Ich zitterte, schwitzte furchtbar, hatte Magenkrämpfe. Einerseits hätte ich am liebsten laut losgebrüllt, andererseits am liebsten hemmungslos gelacht. Aber ich hatte nicht vor, diesem Anflug von Wahnsinn nachzugeben.
»Das konnten wir nicht vorhersehen«, bemerkte ich schließlich, zündete mir eine schal schmeckende Zigarette an und rauchte sie, indem ich sie mit beiden Händen umklammerte, sonst wäre sie mir wegen des heftigen Zitterns entglitten.
»Oh doch, Bruder«, widersprach Sean und klatschte mir auf die Schulter. »Da unten lauert jede denkbare Scheiße. Kreaturen, die eine reichliche Strahlendosis abbekommen und sich dann in die Unterwelt verzogen haben, um Nachkommen zu zeugen. Dort halten sich Monster auf, die nie das Tageslicht erblicken werden, und dafür können wir nur dankbar sein.«
Specs hatte bis jetzt kein Wort gesagt. Er fixierte uns nur mit glasigem Blick. Vor allem starrte er Sean an und wollte gar nicht mehr damit aufhören.
»Was zum Teufel ist denn mit dir los, du kleiner Mistkerl?«, fragte Sean schließlich.
Specs war stinksauer, das konnte ich sehen.
»Wegen deiner blöden Jagd auf die Trogs wären wir fast draufgegangen!«, explodierte er. »Du bist völlig durchgeknallt, ein gottverdammter Verrückter! Nein, noch schlimmer: ein gottverdammt rücksichtsloser, brutaler Verrückter, dem alle anderen Menschen scheißegal sind. Fick dich und deine Trogs, hast du kapiert? Fickt euch, alle beide!«
Als Specs aufstand und die Straße hinunterging, folgten wir ihm. Nach und nach gelang es mir, ihn zu beruhigen. Dass Sean immer noch über Specs’ Wutausbruch lachte, machte die Sache für mich nicht leichter.
»Keine Angst, Kleiner«, sagte Sean irgendwann. »Ich werde dich nicht noch mal bitten, in die Unterwelt mitzukommen. Ist nicht dein Ding.«
Während Sean uns durch die Straßen führte, hielt er auch weiterhin nach den Kriegsbeil-Clans Ausschau. Etwa einen Block von seiner Wohnung entfernt sah ich jemanden auf dem Gehweg stehen. Ein Mädchen, anscheinend normal. Sie hatte auch uns gesehen, rührte sich aber nicht von der Stelle und sagte auch nichts. Als ich etwas zu ihr hinüberrief, reagierte sie nicht. Ich bedeutete den anderen, zurückzubleiben.
»He, fass sie mit deinen dreckigen Pfoten nicht zu heftig an, Nash«, sagte Sean.
Während ich auf sie zuging, sah ich, dass sie im Collegealter sein musste, höchstens 19 oder 20. Der Typ nettes, hübsches Mädchen von nebenan. Hohe Wangenknochen, große blaue Augen, honigblonder Pferdeschwanz, der ihr bis auf den Rücken reichte. Sie war zwar dreckig und zerlumpt, sah aber trotzdem umwerfend aus.
Beschwichtigend streckte ich die Hände aus. »Ich bin ein Normalo und die anderen beiden auch. Hast von uns nichts zu befürchten.«
Ihre Augen musterten mich eiskalt, ohne jedes Gefühl. Als ich auf sie zutrat, erwachte sie zum Leben und hatte plötzlich ein Messer in der Hand. Ich musste ein Weilchen mit ihr ringen, um ihr das Messer zu entwinden – was Sean zum Lachen brachte und Specs in Panik versetzte. Es war keineswegs leicht, sie zu überwältigen, denn sie war kräftig und willensstark und wehrte sich heftig.
»Hör auf damit«, sagte ich. »Niemand will dir was Böses! Keiner von uns will dich zusammenschlagen, vergewaltigen oder umbringen!«
»Du kannst nur für dich selbst sprechen«, warf Sean ein.
»Halt die Klappe!«, fuhr ich ihn an.
In den Augen der jungen Frau sah ich, dass sie mir gern geglaubt hätte, aber Zweifel an meiner Aufrichtigkeit hatte – und wer konnte ihr das verübeln?
»Ich lass dich jetzt los«, erklärte ich. »Wenn du willst, kannst du weglaufen, wir werden dir nicht folgen. Du kannst aber auch gern mit uns kommen. Wir haben eine Unterkunft und auch was zu essen.«
Sie sah mich scharf an. »Und was wird mich das kosten?«
»Überhaupt nichts, du hast mein Wort.«
Als ich sie losließ, lief sie sofort weg, blieb aber bald wieder stehen, um uns zu beobachten. Wir gingen einfach weiter, ohne sie zu beachten, aber uns war bewusst, dass sie
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