Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
sofort hinunter, also gab ich ihm einen zweiten und dritten Riegel und gewann damit einen Freund fürs Leben.
Ich hätte heulen können, denn endlich hatte ich jemanden – ein Lebewesen – gefunden, um das ich mich kümmern konnte und das sich auch um mich kümmern würde, wie mir klar war. Denn das zeichnet Hunde aus. Natürlich gibt es unter Männern und Frauen Liebe, aber die menschliche Spezies ist nun mal selbstsüchtig, deshalb verletzen Menschen einen, sofern man es zulässt. Doch Hunde tun das nicht. Wenn man ihnen zu fressen gibt und für sie sorgt, lieben sie einen ihr Leben lang und folgen einem, ohne zu zögern, überallhin, und wenn’s die Hölle ist. Und jedem, der einen bedroht, gehen sie an die Eier. Das ist wirkliche Loyalität. Versuchen Sie die mal bei einem Menschen zu finden. Viel Glück.
Also hatte ich jetzt einen Kumpel.
Mittlerweile wurde es schon dunkel – Zeit abzuhauen. Doch als ich mich auf den Weg zu meinem Domizil machte, das mindestens vier Straßenzüge entfernt lag, folgte der Hund mir nicht, sondern blieb einfach auf dem Gehweg sitzen, eine verlassene, trostlose, unglückliche Kreatur.
»Na, komm schon!«, rief ich und klatschte auf mein Bein. Da schoss er mir wie ein Blitz hinterher, rieb seine Schnauze an meinem Bein und sprang so freudig um mich herum, wie es nur Hunde vermögen.
Es waren noch einige Rindfleischriegel übrig, die ich ihm gab. Danach kraulte ich ihn an den Ohren und sprach mit ihm. Doch als die Schatten länger wurden, verhielten wir uns beide sehr ruhig, denn wir durchquerten eine Gegend, die eindeutig Feindesland war. Allerdings fühlte ich mich mit dem Hund an meiner Seite längst nicht so ausgeliefert wie sonst. Niemand kann sich an einen Retriever anschleichen, wenn er Augen und Ohren weit offen hält, den Schwanz aufplustert und zur Hab-Acht-Stellung reckt.
Etwa zwei Straßenzüge von meiner Wohnung entfernt blieb der Hund plötzlich stehen, stellte die Ohren auf – nun ja, zumindest dasjenige, das unversehrt war –, legte den Kopf schräg und begann am Boden zu schnüffeln. Dabei knurrte er leise. Alarmstufe eins: Er hatte von irgendwas Wind bekommen, das ihm ganz und gar nicht gefiel.
Ich zerrte ihn weiter, doch dann sah ich, was ihn beunruhigte: Vor uns stand ein Mädchen auf dem Gehweg, in Mondlicht getaucht. Es war ein winziges Ding mit Zöpfen, notdürftig mit den verdreckten Überresten einer blauen Jacke bekleidet. Ich schätzte die Kleine auf etwa acht Jahre.
Aber der Hund rastete bei ihrem Anblick völlig aus, schnappte und heulte auf.
»Sei still«, befahl ich ihm und blickte zu der Kleinen hinüber. »Was machst du denn noch so spät auf der Straße, Liebes?«, fragte ich. »Ist doch gefährlich. In dieser Gegend sind ...«
Ich führte den Satz nicht zu Ende, denn im selben Moment konnte ich sie deutlich sehen und mein Magen zog sich vor Angst zusammen. Das hier war kein kleines Mädchen. Ihre Augen leuchteten strahlend gelb und anstelle eines Gesichts sah ich etwas, das einer Halloween-Maske ähnelte, gerippt und in einem grässlichen graublauen Farbton.
Während die Gestalt die Hände zu mir hochstreckte, öffnete sich ihr Mund und winzige hakenförmige Fangzähne kamen zum Vorschein: Es waren die Zähne eines Raubtiers. Von ihr stieg Dampf auf, und sie knisterte vor Energie – wie eine statisch aufgeladene Decke.
Gleich darauf drang aus ihrem Mund ein schriller Pfeifton, der fast im Hyperschallbereich zu liegen schien und immer penetranter wurde, sodass mir die Ohren wehtaten.
Als sie sich mir näherte, umgab sie ein schwaches pulsierendes Leuchten. Und dann schien sie vor Radioaktivität geradezu Funken zu sprühen. Sie ging nicht, sondern schwebte auf mich zu. Und der heiße radioaktive Dampf, der von ihrem Körper aufstieg, hinterließ in ihrem Rücken eine flackernde Nebelspur.
Wäre der Hund nicht gewesen, hätte sie mich erwischt.
Ich wich zurück und feuerte zweimal, doch keine der Kugeln traf. Allerdings ließ der Hund, Gott segne ihn, nicht zu, dass sie mich angriff. Aufheulend sprang er sie mit weit aufgerissenem Maul an, um zuzuschnappen. Doch sie fing ihn ab und umschloss ihn mit den Armen. Er winselte wie wild in den höchsten Tönen, doch sie ließ nicht von ihm ab. Er musste ungeheure Schmerzen erleiden, während er in ihrem Griff buchstäblich verbrannte. Eine kühle blaue Flamme loderte auf und erfasste seinen Körper, der sofort Feuer fing, überall Blasen warf und zu rauchen begann. Unmittelbar vor
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