Versprechen eines Sommers
Ereignisse meines Lebens haben dort stattgefunden. Das Camp hat meine Familie während der Großen Depression gerade so über Wasser gehalten. Nachdem Charles und ich geheiratet haben und das Camp übernahmen, wurde es ein Teil dessen, was wir waren.“
Das ist so typisch für Nana, überlegte Olivia. Sie sieht immer zu, wie sie an Dingen festhalten kann, selbst wenn sie besser daran täte, loszulassen.
„Nun ja, das ist alles Zukunftsmusik.“ Nana schüttelte die düstere Stimmung ab und zog mit neuem Elan einige Seiten Papier hervor, die sie offensichtlich von Olivias Website ausgedruckt hatte. „Wir haben Geschäftliches zu besprechen. Ich möchte, dass du das Camp für die große Feier vorbereitest.“
Olivia stieß ein kurzes Lachen aus. „Das kann ich nicht, Nana.“
„Unsinn. Hier steht, dass du sämtliche Dienstleistungen anbietest, die man benötigt, um eine Immobilie für den optimalen Marktauftritt vorzubereiten.“
„Das heißt doch nur, dass ich Häuser aufhübsche, damit man sie besser verkaufen kann“, erwiderte Olivia. Einige der Designer in ihrem Betätigungsfeld sträubten sich gegen den Ausdruck, der tatsächlich ein wenig Würde vermissen ließ. Sie bevorzugten die Begriffe „Dekorateur“ oder „Immobilienaufwerter“. Aufhübscher klang … nun, ein wenig puffig.
Aber der Begriff erklärte ziemlich gut, was sie tat. Auf einem Gebiet, auf dem die Menschen versuchten, ihre Immobilien so gut wie möglich aussehen zu lassen, war Olivia die Meisterin der Illusion. Eine wahre Künstlerin der Täuschung. Eine Immobilie unwiderstehlich aussehen zu lassen war normalerweise eine einfache, wenig Kosten verursachende Angelegenheit. Sie nutzte dafür die Dinge, die der Verkäufer schon besaß, und stellte sie auf neue Art zusammen.
Sie liebte ihren Job und war gut darin. Langsam hatte sie sich einen Ruf aufgebaut, und in einigen Teilen Manhattans dachten Makler gar nicht mehr daran, eine Wohnung anzubieten, bevor sie nicht von Olivia Bellamy aufgehübscht worden war. Doch die Arbeit bot auch gewisse Herausforderungen. Seitdem Olivia ihre eigene Firma Transformations gegründet hatte, hatte sie gelernt, dass zu dem Job mehr gehörte als nur die Blumen zu gießen, alles weiß zu streichen und die Brotbackmaschine anzuwerfen, um einen heimeligen Duft zu verbreiten.
Ein Projekt in der Größe von Camp Kioga jedoch gehörte bisher nicht zu ihrem Erfahrungsschatz.
„Du sprichst von Hunderten Quadratmetern Wildnis, die einhundertfünfzig Meilen von hier entfernt liegen. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte.“
„Ich schon.“ Jane schob ihr ein altmodisches, ledergebundenes Fotoalbum über den Tisch zu. „Jeder hat eine Vorstellung von einem Sommercamp im Kopf, egal, ob er früher selber eines besucht hat oder nicht. Du musst diese Illusion einfach nur zum Leben erwecken. Hier sind für den Anfang einige Bilder, die im Laufe der Jahre aufgenommen wurden.“
Die meisten Fotos zeigten rustikale Hütten, die sich am Rande eines Sees inmitten eines unberührten Waldes drängten. Olivia musste zugeben, dass sie eine friedvolle Atmosphäre ausstrahlten. Nana hatte recht mit der Illusion – oder vielleicht handelte es sich eher um eine Irreführung. Olivia hatte schreckliche Zeiten im Sommercamp erlebt. Und doch steckte irgendwo in ihrem Hinterkopf das Bild eines idealisierten Sommers, ohne spottende Kinder, Sonnenbrände und Mücken.
Ihre Vorstellungskraft setzte ein, wie immer, wenn sie sich eine Immobilie ansah. Trotz ihrer anfänglichen Abneigung stiegen vor ihren Augen sofort Bilder auf, wie sie das Camp in Schuss bringen könnte.
Hör auf, schalt sie sich.
„Ich habe nicht gerade die besten Erinnerungen an meine Sommer dort“, rief sie ihrer Großmutter in Erinnerung.
„Ich weiß, meine Liebe. Aber dieser Sommer könnte die Gelegenheit für dich sein, deine Dämonen auszutreiben. Schaffe dir neue Erinnerungen.“
Interessant. Olivia hatte nie geahnt, dass ihre Großmutter von ihrem Leiden gewusst hatte. Warum hast du ihm nicht Einhalt geboten? wollte sie fragen.
„Dieses Projekt würde vermutlich den ganzen Sommer über dauern. Ich bin nicht sicher, ob ich so lange fort sein möchte.“
Nana hob eine Augenbraue hoch über den Rand ihrer Brille. „Warum?“
Olivia konnte es nicht länger für sich behalten. Die nächsten Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. „Weil ich glaube, dass ich einen Grund habe, zu bleiben.“
„Könnte es sich bei diesem Grund um einen
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