Verstand und Gefühl
nicht ohne Verdienst sind.«
Nach Colonel Brandons Besuch von nur drei bis vier Tagen verließen die beiden Herren gemeinsam Barton. Sie wollten sogleich nach Delaford gehen, damit Edward eine persönliche Vorstellung von seinem zukünftigen Heim bekam und um seinem Patronatsherrn und Freund bei der Entscheidung zu helfen, welche Verbesserungen daran notwendig seien; und von dort wollte Edward, nachdem er ein paarmal in Delaford übernachtet hatte, weiter nach London reisen.
|406| Kapitel 50
Nach einem angemessenen Widerstand von seiten Mrs. Ferrars’, geradeso heftig und standhaft, daß er sie vor jenem Vorwurf bewahrte, dem sie sich offenbar stets auszusetzen fürchtete – dem Vorwurf, zu liebenswürdig zu sein –, wurde Edward zu ihr vorgelassen und erneut zu ihrem Sohn erklärt.
Ihre Familie war in letzter Zeit außerordentlichen Veränderungen unterworfen gewesen. Viele Jahre ihres Lebens hatte sie zwei Söhne gehabt, doch der Frevel und ihr Auslöschen Edwards vor einigen Wochen hatte sie des einen beraubt; das gleiche Auslöschen Roberts hatte sie zwei Wochen lang ganz ohne einen Sohn zurückgelassen; und nun, durch die Wiederbelebung Edwards, hatte sie wieder
einen
Sohn.
Doch obwohl er nun wieder leben durfte, sah er die Fortsetzung seiner Existenz nicht als sicher an, solange er seine gegenwärtige Verlobung nicht offenbart hatte; denn das Kundtun dieses Umstandes, fürchtete er, könnte seiner Körperlichkeit wieder einen plötzlichen Wandel bescheren und ihn ebenso rasch wie vorher erneut dahinraffen. Mit ängstlicher Vorsicht wurde es deshalb offenbart, und man hörte ihn mit unerwarteter Ruhe an. Mrs. Ferrars bemühte sich billigerweise zuerst mit jedem in ihrer Macht stehenden Argument, ihn davon abzuhalten, Miss Dashwood zu heiraten – sie erklärte ihm, daß er in Miss Morton eine Frau von höherem Rang und mit einem größeren Vermögen habe, und bekräftigte diese Versicherung noch mit der Bemerkung, daß Miss Morton die Tochter eines Edelmannes mit dreißigtausend Pfund sei und Miss Dashwood nur die Tochter eines Privatiers mit lediglich dreitausend; doch als sie feststellte, daß er, obgleich er die Richtigkeit ihrer Darstellung durchaus zugab, |407| keineswegs geneigt war, sich davon leiten zu lassen, sah sie es nach den Erfahrungen der Vergangenheit als am klügsten an, sich zu fügen; und deshalb gab sie – nach einer ungnädigen Verzögerung, die sie ihrer Würde schuldig war und die ihr dazu diente, jeden Verdacht von Wohlwollen zu verhindern – einen Erlaß mit ihrer Einwilligung für die Heirat von Edward und Elinor heraus.
Wozu sie sich hinsichtlich der Erhöhung ihres Einkommens verpflichten würde, war als nächstes zu bedenken; und hier zeigte sich unmißverständlich, daß Edward, obgleich nun ihr einziger Sohn, keineswegs ihr ältester war; denn während Robert unwiderruflich mit eintausend Pfund im Jahr ausgestattet war, wurde nicht der kleinste Einwand dagegen erhoben, daß Edward um der im Höchstfalle zweihundertfünfzig Pfund willen in den geistlichen Stand treten würde; und es wurde auch weder für die Gegenwart noch für die Zukunft mehr versprochen als die zehntausend Pfund, die auch Fanny erhalten hatte.
Doch es war soviel, wie Edward und Elinor es sich gewünscht, und mehr, als sie erwartet hatten; und Mrs. Ferrars schien mit ihren ausweichenden Entschuldigungen die einzige zu sein, die überrascht war, daß sie nicht mehr gab.
Mit einem so gesicherten Einkommen, das für ihre Bedürfnisse völlig ausreichend war, hatten sie, nachdem Edward im Besitz der Pfründe war, auf nichts anderes zu warten als auf die Fertigstellung des Hauses, an dem Colonel Brandon in dem lebhaften Wunsch, für Elinor ein Heim zu schaffen, erhebliche Verbesserungen vornahm; und nachdem sie einige Zeit auf die Fertigstellung gewartet und durch die übliche unerklärliche Säumigkeit der Arbeiter tausend Enttäuschungen und Verzögerungen erlebt hatten, gab Elinor den, wie üblich, anfangs unumstößlichen Vorsatz, nicht zu heiraten, bevor nicht alles fertig war, auf, und die Trauung fand im Frühherbst in der Kirche von Barton statt.
Den ersten Monat nach ihrer Heirat verbrachten sie bei ihrem Freund im Herrenhaus, von wo sie den Fortschritt der Arbeiten am Pfarrhaus überwachen und alles an Ort und |408| Stelle nach ihren Wünschen dirigieren konnten; und sie konnten Tapeten auswählen, das Anpflanzen von Sträuchern planen und eine Auffahrt zum Haus nach eigenen
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