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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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setzte sich mit sehr schwerem Herzen an den Tisch, um ihr zu berichten, was vorgefallen war, und sie inständig um Anweisungen zu bitten, was sie tun sollten. Währenddessen blieb Marianne, die in den Salon gekommen |221| war, als Mrs.   Jennings sie verließ, an dem Tisch sitzen, an dem Elinor schrieb, und sah zu, wie ihre Feder über das Papier glitt, und grämte sich für sie wegen der Härte einer solchen Aufgabe und grämte sich in liebevoller Sorge noch mehr wegen der Wirkung, die der Brief auf ihre Mutter haben mußte.
    Auf diese Weise war etwa eine Viertelstunde vergangen, als Marianne, deren Nerven kein plötzliches Geräusch ertragen konnten, durch ein Klopfen an der Tür aufschreckte.
    »Wer kann das sein?« rief Elinor. »Und dann noch so früh! Ich hatte gedacht, wir wären jetzt sicher.«
    Marianne ging zum Fenster.
    »Es ist Colonel Brandon!« sagte sie ärgerlich. »Vor
ihm
sind wir nie sicher.«
    »Er wird nicht hereinkommen, wo Mrs.   Jennings fort ist.«
    »Darauf werde ich mich nicht verlassen«, sagte Marianne, während sie sich auf ihr Zimmer zurückzog. »Ein Mann, der mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß, merkt nicht, wenn er die anderer Leute ungebührlich in Anspruch nimmt.«
    Es erwies sich, daß sie richtig vermutet hatte, wenn ihre Begründung auch auf Ungerechtigkeit und Irrtum beruhte, denn Colonel Brandon kam tatsächlich herein; und Elinor, die überzeugt war, daß Sorge um Marianne ihn hergebracht hatte, und die diese Sorge an seinem beunruhigten, traurigen Blick und seiner bangen, doch kurzen Erkundigung nach ihr erkannte, konnte ihrer Schwester nicht verzeihen, daß sie ihn so wenig schätzte.
    »Ich traf Mrs.   Jennings in Bond Street«, sagte er nach der ersten Begrüßung, »und sie ermunterte mich, herzukommen; und ich ließ mich um so leichter dazu ermuntern, da ich es für wahrscheinlich hielt, Sie allein anzutreffen, was ich sehr wünschte. Meine Absicht – mein Wunsch – mein einziger Wunsch, – ich hoffe, ich glaube es jedenfalls – ist, Ihrer Schwester Trost zu verschaffen – nein, ich sollte nicht
Trost
sagen – nicht augenblicklichen Trost   –, sondern Überzeugung, dauerhafte Überzeugung zu ihrer Erleichterung. Meine Freundschaft für sie, für Sie selbst, für Ihre Mutter   ..., |222| wollen Sie mir gestatten, diese zu beweisen, indem ich Ihnen von einigen Umständen berichte, die nichts als eine sehr aufrichtige Freundschaft, ein ernsthafter Wunsch, nützlich zu sein   ... Ich denke, es ist gerechtfertigt – doch wo ich so viele Stunden darauf verwenden mußte, mich davon zu überzeugen, daß ich richtig handle, habe ich da nicht einigen Grund zu befürchten, daß ich mich möglicherweise irre?« Er hielt inne.
    »Ich verstehe Sie«, sagte Elinor. »Sie haben mir etwas über Mr.   Willoughby zu sagen, das seinen Charakter noch weiter offenlegt. Wenn Sie dies tun, ist es der größte Freundschaftsdienst, den Sie Marianne erweisen können. Meiner Dankbarkeit können Sie sofort mit jeder dahingehenden Information versichert sein, und die ihre muß mit der Zeit gewonnen werden. O ja, bitte, lassen Sie es mich hören.«
    »Das sollen Sie; um mich kurz zu fassen – als ich letzten Oktober Barton verließ   ..., aber das können Sie nicht verstehen. Ich muß weiter zurückgreifen. Sie finden in mir einen unbeholfenen Erzähler, Miss Dashwood; ich weiß kaum, wo ich beginnen soll. Ein kurzer Bericht über mich wird, glaube ich, notwendig sein, und er
soll
auch kurz sein. Bei einem solchen Thema«, er seufzte schwer, »gibt es für mich wenig Versuchung, weitschweifig zu werden.«
    Er hielt einen Augenblick inne, um sich zu sammeln, und fuhr dann mit einem erneuten Seufzer fort.
    »Sie haben wahrscheinlich ein Gespräch zwischen uns ganz vergessen – (es ist auch nicht anzunehmen, daß es irgendeinen Eindruck auf Sie machen konnte) – ein Gespräch eines Abends in Barton Park – es war der Abend, an dem ein Tanz stattfand   –, bei dem ich auf eine Dame anspielte, die ich einmal gekannt hatte und die in gewissem Maße ihrer Schwester Marianne glich.«
    »Aber nein«, erwiderte Elinor, »das habe ich nicht vergessen.« Er schien erfreut, daß sie sich daran erinnerte, und fügte hinzu: »Wenn mich meine Unsicherheit, die Voreingenommenheit meiner zärtlichen Erinnerung nicht täuscht, gibt es eine sehr starke Ähnlichkeit zwischen den beiden, in ihrem |223| Wesen wie auch in ihrem Äußeren – die gleiche Herzenswärme, die gleiche Lebhaftigkeit der

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