Verstohlene Blicke - Erotischer Roman
jemand wohnt. Als Lea sich die neue Wohnung gesucht hat, kannte ich schon lange vor dem Umzug ihre neue Adresse.«
Nora fröstelte. »Wir hatten besprochen, dass Sie sämtliche Aktivitäten in dieser Richtung einstellen sollten. Haben Sie mich etwa irgendwann während der vergangenen Wochen von der Praxis bis hierher verfolgt?«
Thiemann zuckte gelassen die Achseln. »Wir haben besprochen, dass ich meine Frau nicht mehr besuchen soll. Von Ihnen war nie die Rede.«
Mit einem unterdrückten Seufzer stellte Nora den Plastikbeutel, dessen Griff ihr schmerzhaft in die Finger schnitt, vor ihren Füßen ab. »Es handelt sich um Ihre Exfrau. Sie sind seit über einem halben Jahr geschieden, und Ihre Exfrau hat mittlerweile eine einstweilige Verfügung erwirkt, die Ihnen verbietet, sich ihr und ihrer Wohnung zu nähern.« Sie kam sich lächerlich vor, wenn sie Thiemann ausführlich das sagte, was er ohnehin sehr genau wusste. Aber es gehörte zur Therapie, ihm die Tatsachen immer wieder vor Augen zu halten.
»Deshalb hat sie am Freitagabend auch die Polizei gerufen. Ich hatte ziemlichen Ärger.«
Dieses Mal gab Nora sich keine Mühe, nicht aufzustöhnen. Dieser Klient war einer der schwierigsten seit der Eröffnung ihrer Praxis, was angesichts der Tatsache, dass sie sich auf Stalkingopfer, aber auch auf Täter spezialisiert hatte, wirklich etwas bedeuten wollte.
»Wundert es Sie, dass Sie Ärger bekommen haben? Schließlich sind Sie erst Anfang der vergangenen Woche von der Polizei verwarnt worden.«
»Ich will mich ja bessern, aber ich kann nicht. Ich liebe meine Frau.« Thiemanns Gesichtsausdruck wirkte eher fröhlich als bedrückt.
»Ihr Problem ist, dass Sie die Sache nicht ernst nehmen.«
»Wäre ich hier, wenn ich es nicht schrecklich ernst nehmen würde, dass Lea mich einfach so verlassen hat?« Schlagartig wurde Thiemanns Miene anklagend. »Ich kann und ich werde sie nicht vergessen. Sie hat mir ewige Liebe geschworen. Verstehen Sie – ewige Liebe? Da kann sie nicht plötzlich sagen, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein will. Ich weiß, dass sie mich noch liebt.«
Nora bückte sich und nahm ihren Plastikbeutel wieder vom Boden hoch. »Ich gebe Ihnen einen zusätzlichen Termin für morgen früh um acht Uhr. Dann können wir über alles sprechen.«
Acht Uhr bedeutete, dass sie spätestens um halb sieben aufstehen musste. Angesichts der Tatsache, dass Stefan erst gegen einundzwanzig Uhr kommen würde, nicht viel Zeit für einen romantischen Abend, wenn sie ihre üblichen sieben Stunden Schlaf haben wollte.
»Morgen ist zu spät!«, klagte Thiemann. »Was ist, wenn ich nachher wieder bei meiner Frau klingele? Sie sind meine Therapeutin, Sie müssen etwas tun!«
»Was soll ich tun? Ich kann Sie nicht einsperren.« Nora machte ein paar beherzte Schritte auf die Gartenpforte zu. Thiemann blieb ihr dicht auf den Fersen.
»Dann verschreiben Sie mir irgendwas!«
»Es gibt keine Tabletten, die dafür sorgen können, dass Sie Ihre Exfrau nicht belästigen.« Mit der Fußspitze stieß Nora die Pforte auf.
»Wie kann ich meine eigene Frau belästigen?«, jammerte Thiemann. »Wir lieben uns doch, auch wenn sie das gerade vergessen hat. Sie ist verwirrt, dieser Kerl hat sie völlig durcheinandergebracht. Wenn sie erst einmal die rosarote Brille abgesetzt hat, wird sie sich erinnern, wie sehr sie mich liebt.«
»Wir reden morgen früh darüber, Herr Thiemann. Um acht Uhr in meiner Praxis. Und bitte kommen Sie nie wieder hierher. Sie dringen in meine Privatsphäre ein. Das verbitte ich mir!« Nora zerrte den Trolley durch die Pforte und warf die niedrige Holztür hinter sich zu.
»Sie sind meine Therapeutin! Sie können nicht einfach die Tür vor meiner Nase zumachen, wie sie das tut.« Jetzt klang Thiemann drohend.
»Momentan bin ich nicht Ihre Therapeutin«, teilte Nora ihm mit klarer, lauter Stimme mit und sah ihm dabei ruhig ins Gesicht. »Morgen früh wieder, jetzt nicht.«
»Wenn ich es wieder tue und Ärger bekomme, werden Sie es bereuen. Weil es Ihre Schuld ist.« Thiemanns Stimme überschlug sich. Er hatte die Hände um die obere Kante der Pforte gelegt und rüttelte daran, obwohl er sie jederzeit mit einem Griff hätte öffnen können.
»Es ist nicht meine Schuld. Sie selbst tragen die Verantwortung für Ihr Leben und Ihre Handlungen. Auch darüber können wir morgen früh gern noch einmal reden, Herr Thiemann.« Energisch drehte Nora sich um und holperte mit ihrem Trolley den schmalen Plattenweg
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