Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
Vom Netzwerk:
hier eigentlich noch um Selbstverteidigung?«
    Wortlos sah er erst sie, dann die Verkäuferin an, die jetzt, da ihr Verkaufsinstinkt sie vor aufkommenden Zweifeln des Kunden warnte, all ihren Charme ins Spiel brachte. Sie hypnotisierte Sil fast mit ihren mandelförmigen braunen Augen. Sie machte ihre Sache gut. Jedes menschliche Wesen mit einem Y-Chromosom und einem Faible für Frauen wäre schwach geworden.
    Auf diesen Kunden hatte sie keine Wirkung.
    Er löste sich vom Tresen und machte eine Dreivierteldrehung in Richtung Tür. »Du hast recht«, sagte er unbestimmt in den Raum hinein, »wir brauchen so was nicht mehr.«
     
    Später an jenem Tag aßen sie in einem Irish Pub im Montmartre, das an den großen Hügel angebaut war und von wo aus
man den größten Teil der Stadt überblicken konnte. Das Personal der in Dunkelbraun gehaltenen Kneipe schien in einen Musikgenre-Krieg verwickelt zu sein. Innerhalb der vergangenen halben Stunde waren die Gäste erst mit irischem Folk, dann mit Eminem und schließlich mit den Dire Straits beglückt worden, bis jemand ein schepperndes Radio angestellt hatte. Irgendein Moderator brabbelte vor sich hin und reihte französische Popmusik aneinander.
    »Tut mir leid wegen heute Nachmittag«, sagte Maier zwischen zwei Bissen.
    »Heute Nachmittag?«
    »Mit den Taser-Waffen.«
    »Ist schon gut.«
    Schweigend setzten sie ihre Mahlzeit fort. Im Stillen versuchte Maier zu analysieren, warum er so schwer davon loskam. Auf Susan hatte Paris vielleicht eine beruhigende Wirkung – die Gebäude standen tatsächlich alle noch –, aber was seine Seelenruhe anging, so hätte sie sich keinen aufwühlenderen Ort aussuchen können. Allein am heutigen Tag hatte er vier potenzielle Zielpersonen ausgemacht, denen er normalerweise gefolgt wäre. An der Metrostation Gare du Nord stand offenbar eine Drogenübergabe bevor. Im Botschaftsviertel hatte er einige Männer auf Observationsposten gesehen, da lag also auch irgendetwas in der Luft. Und in dem Café, in dem sie sich gestern Abend einen letzten Absacker genehmigt hatten, waren ebenfalls allerlei nicht ganz astreine Dinge vor sich gegangen. Es fiel ihm einfach auf, weil er das Muster wiedererkannte. Die Mienen, die Gesten.
    Aber das war nicht alles. In Geschäften sah er sich automatisch nach dem Notausgang um. Lokalisierte Sicherheitskameras und Wachpersonal. Beobachtete Leute auf der Straße, scannte Passanten, ordnete Einzelne als harmlos oder potenziell gefährlich ein. Registrierte verdächtige Autokennzeichen
– Marke, Fahrzeugtyp, Farbe –, sowie die auffälligsten Personenmerkmale der Insassen.
    Es war ein Automatismus geworden, ein Instinkt. Und zugleich war es der reine Wahnsinn. Denn es gab keinen Grund mehr, ständig auf dem Quivive zu sein. Keinen einzigen.
    Er hatte immer gemeint, er hätte in den letzten, gelinde gesagt: turbulent verlaufenen Jahren eine gewisse Selbstkenntnis erworben. Eine ganze Weile war er davon überzeugt gewesen, dass nur sein früheres Leben mit Alice, das angenehm, aber auch recht behäbig gewesen war, zu diesen Turbulenzen hatte führen können.
    Mit Susan war alles anders. Susan war ganz anders.
    Aber er war er selbst geblieben.
    Man konnte vor allem Möglichen davonlaufen, aber nicht vor sich selbst. Das wurde ihm zunehmend deutlich.
    Achte nicht darauf .
    Er beschloss, sich auf Susan zu konzentrieren. Sah zu, wie sie ihren Salat aß. Betrachtete ihr dunkelbraunes, zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar, das sich so herrlich glatt und schwer anfühlte, wenn es durch seine Finger glitt. Es war nur eine Nuance dunkler als ihre Augen. Sie hatte die Augenfarbe ihrer Mutter, hatte sie ihm erzählt. Und das war auch schon fast alles, was er von der Frau wusste, die Susan zur Welt gebracht hatte – außer dass sie eines Tages einfach verschwunden war, um zwanzig Jahre später in den Alpträumen ihrer Tochter zurückzukehren.
    »Vielleicht solltest du darüber sprechen«, sagte er plötzlich.
    Sie sah ihn an.
    »Über deine Mutter«, erklärte er.
    »Da gibt es nicht viel zu sagen.«
    »Was war sie für eine Frau?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Na ja, sie sah so ähnlich aus wie ich. Oder umgekehrt.«
    »Hat sie gearbeitet?«
    »Nicht mehr, seit sie Kinder hatte.«
    »Und vorher?«
    »Vorher hat sie fotografiert, genau wie ich. Aber sie hat es nie zu ihrem Beruf gemacht, weil dann erst Sabine zur Welt kam und fünf Jahre später ich. In den sechziger Jahren mussten Frauen zu Hause bleiben, wenn sie Mutter

Weitere Kostenlose Bücher