Versuchung Pur
sind beste Freundinnen, praktisch seit wir in den Windeln lagen, Eden. Niemand weiß besser als ich, was du durchmachst.«
Nein, das wusste niemand. Und da Candy die Person war, die Eden am meisten liebte, musste sie sich noch mehr anstrengen, um die offenen Wunden vor ihr zu verbergen. »Ich habe das alles hinter mir gelassen, Candy.«
»Mag sein. Aber die Idee mit diesem Camp stammt ursprünglich von mir. Ich habe dich da mehr oder weniger mit hineingezogen.«
»Du hast mich in nichts hineingezogen. Ich wollte ein bisschen Geld investieren. Wir beide wissen doch, dass die Summe lächerlich gering war.«
»Nicht für mich. Dein Geld hat es ermöglicht, die Pferde mit ins Programm aufzunehmen. Und als du dann auch noch zugesagt hast, die Reitstunden zu übernehmen …«
»Ich muss doch meine Investition im Auge behalten«, erwiderte Eden leichthin. »Und nächstes Jahr will ich keine Teilzeit-Reitlehrerin und -Buchhalterin mehr sein. Ich bin dann eine vollwertige Betreuerin. Ich bereue gar nichts, Candy.« Und dieses Mal meinte sie es auch so. »Das Camp gehört uns.«
»Und der Bank.«
Ein Detail, das Eden mit einem Schulterzucken abtat. »Wir brauchen dieses Camp. Du, weil du so etwas schon immer wolltest und darauf hingearbeitet hast. Und ich …« Sie zögerte, dann seufzte sie. »Machen wir uns nichts vor: Ich habe nichts anderes. Das Camp garantiert mir ein Dach über dem Kopf und drei Mahlzeiten am Tag. Und es steckt mir ein Ziel. Ich werde beweisen, dass ich es schaffen kann.«
»Alle halten uns für verrückt.«
Der Stolz kehrte zurück, zusammen mit dem Gefühl einer tollkühnen Verwegenheit, die Eden gerade erst zu schätzen lernte. »Sollen sie ruhig.«
Lachend zupfte Candy an Edens Pferdeschwanz. »Komm, gehen wir frühstücken.«
Zwei Stunden später brachte Eden den ersten Reitunterricht des Tages zu Ende. Das war ihr Beitrag zu der Partnerschaft, die Candy und sie eingegangen waren. Eden war auch die Buchhaltung überantwortet worden, schon aus dem einfachen Grund, weil es auf der ganzen Welt niemanden gab, der so schlecht mit Zahlen umgehen konnte wie Candice Bartholomew.
Candy hatte die Bewerbungsgespräche geführt und die Betreuer, eine Ernährungsexpertin und eine Krankenschwester eingestellt. Sie hofften, eines Tages auch einen eigenen Swimmingpool und einen Schwimmlehrer zu haben. Doch im Moment schwammen die Mädchen noch in dem nahe gelegenen See – unter Aufsicht natürlich –, und es wurden Kunst- und Bastelkurse, Wandern und Bogenschießen angeboten.
Candy hatte das Programm ausgearbeitet, während Eden den Etat aufgestellt hatte. Sie konnte nur hoffen, dass das Geld reichte.
Im Gegensatz zu Candy war Eden sich keineswegs sicher, dass die erste Woche im Camp die schwierigste sein würde. Candy hatte die Ausbildung und die Qualifikationen, um ein Sommercamp zu leiten. Aber Edens optimistische Partnerin besaß ebenso das beneidenswerte Talent, Details wie rote Zahlen in den Bilanzen vollkommen zu ignorieren.
Eden verdrängte die Gedanken und gab den Mädchen von der Mitte des Reitplatzes aus ein Zeichen. »Für heute war’s das.« Sie besah sich die sechs jungen Gesichter unter den schwarzen Reitkappen. »Ihr macht euch gut.«
»Wann lernen wir denn, zu galoppieren, Miss Carlbough?«
»Nachdem ihr Traben gelernt habt.« Sie klopfte einem der Pferde auf die Flanke. Wie wunderbar wäre es, über die hügelige Landschaft zu galoppieren, so schnell, dass nicht einmal die Erinnerungen folgen konnten. Albern, schimpfte Eden sich in Gedanken und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Mädchen. »Steigt jetzt ab und geht eure Pferde versorgen. Denkt daran: Sie sind auf euch angewiesen.« Der Wind blies ihr die Haarsträhnen ins Gesicht, und sie strich sie abwesend zurück. »Vergesst nicht, das Zaumzeug wieder an seinen Platz zu hängen, damit die nächste Gruppe es findet.«
Wie erwartet, erfolgte ein kollektives Stöhnen. Reiten und mit den Pferden spielen war eine Sache, die Arbeit danach eine ganz andere. Dass sie Disziplin erreicht hatte, ohne Trotz und Aufsässigkeit geschürt zu haben, verbuchte Eden als Erfolg für sich.
In der letzten Woche hatte sie gelernt, die Namen der Mädchen den Gesichtern zuzuordnen. Der Enthusiasmus der elf- bis zwölfjährigen Mädchen ihrer Gruppe ließ sie durchhalten, vor allem, weil sie in dreien von ihnen wahre Pferdenarren erkannt hatte. Das war sie in ihrer Teenagerzeit auch gewesen. Es war ein gutes Gefühl, die aufgeregten
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