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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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kleine Rente. Also sind sie an den Vater. Und dabei hat sich rausgestellt, der alte Hagen hat Geld. Viel Geld. Zumindest hatte er es.«
    »Wo der Teufel hinscheißt …«, kommentierte Wolfgang.
    Ich setzte Mariechens Einverständnis voraus und nahm ein Stück kalte Pizza.
    »Also hat der alte Hagen schließlich für seinen Sohn Unterhalt gezahlt? Obwohl sich die beiden nie begegnet sind?«
    »Dreihundertzweiundzwanzig Euro.« Wolfgang nickte. »Als Überweisung. Kein persönliches Wort, nichts. Manchmal hab ich Horst verstanden. Dass er so wütend war. Na ja. Das Schicksal hat es ja dann wohl geradegerichtet.«
    Mariechen funkelte ihn wütend an. »Wie, geradegerichtet?«
    »Ich mein ja nur. Alles Geld der Welt hilft nichts, wenn die Kinder sich nicht um dich kümmern und du alt und krank ins Heim musst.«
    »Hagen hatte Parkinson.« Mariechen beruhigte sich, weil Wolfgang nicht ihren Bruder gemeint hatte. »Nach Waltrauds Tod konnte er sich nicht mehr selbst versorgen. Also ist er in ein Heim. Aber kein normales. Sondern eines, in dem sie so tun, als hätten sie Gäste und das alles wäre nichts anderes als ein Hotel.«
    »Eine Altersresidenz«, erklärte ich.
    Beide nickten.
    »Gesetzt den Fall, ich möchte Näheres über dieses Erbe erfahren. An wen kann ich mich wenden?«
    Beide sahen sich an, als ob sie vom jeweils anderen die Antwort erwarteten.
    »An Sabine Camerer«, meinte Mariechen. »Oder an John? Das sind seine Halbgeschwister, die Kinder aus Helmfrieds Ehe mit Waltraud Camerer. Dann gibt es da noch Eleonore, die Schwester vom alten Hagen. Die ist mit einem Lohbeck verheiratet und hat auch zwei Kinder. Aber die sind schon vor langer Zeit nach Kanada und machen da irgendwas mit Holz. An Kettensägen kommen sie ja günstig ran, nicht? Warum wollen Sie das wissen? Warum sind Sie eigentlich hier?«
    »Ich bin Anwalt. Und ein Freund des Tatverdächtigen. Ich hoffe, dass ich ihm irgendwie helfen kann.« Ihm und Marie-Luise.
    »Was?« Wolfgangs rundes Antlitz verdüsterte sich. »Und da wagen Sie sich hierher und fragen uns aus?«
    »Ich bin ebenso an der Wahrheit interessiert wie Sie.«
    Mariechen klappte den Pizzadeckel zu. Der Hinweis war klar: Unter diesem Dach würde ich nichts mehr zu essen bekommen.
    »Dieser Pole hat meinen Bruder umgebracht. Wir hatten nicht viel gemeinsam, aber ich hab ihn gemocht. Ich will, dass der Mann seine gerechte Strafe bekommt. Gehen Sie. Sofort.«
    Ich verabschiedete mich schnell und höflich, auch ich hatte es eilig. Noch im Aufzug notierte ich mir die Namen, die die beiden mir verraten hatten: der alte Helmfried Hagen. Waltraud, seine Frau, eine geborene Camerer, vor ihm verstorben. Ihre gemeinsamen Kinder Sabine und John. Keiner von den dreien trug den Namen Hagen, was ebenfalls bemerkenswert war. Irgendwo im verzweigten Geäst des Stammbaums hielt sich auch noch eine Eleonore versteckt.
    Ein Bastard hatte in dieser Familie keinen Platz, auch wenn er Hagens Erstgeborener gewesen war. Das hatte Waltraud- Präzision-aus-Leidenschaft noch zu Lebzeiten gekonnt verhindert. Horst wurde mit einer lächerlichen Summe abgespeist und kam wenig später in Polen auf tragische Weise ums Leben. Bevor ich mich in Spekulationen verstieg, brauchte ich mehr Fakten. Vor allen Dingen brauchte ich jemanden, der sich im italienischen Gotha ebenso auskannte wie im komplizierten Geflecht deutschen Familienrechts.

15
    Ich hätte bis zum nächsten Tag warten können. Als ich um halb elf am Berliner Hauptbahnhof ausstieg, überlegte ich, gleich weiter nach Janekpolana zu fahren. Aber ich war zu erledigt. Ein Handy-Shop hatte noch offen, der Verkäufer, ein smarter junger Mann mit flinken Augen und noch schnellerer Zunge, plapperte unentwegt und wollte mir zu den beiden billigen Klappgeräten diverse Tarifkombinationen aufschwatzen. Ich blieb bei zwei Prepaid-Karten mit je fünfzehn Euro Guthaben. Er verabschiedete mich fröhlich und ließ hinter mir den Rollladen herunter.
    Ich war versucht, Marquardt mit einem der neuen Telefone anzurufen. Nachdem ich eine unfassbar hohe Parkgebühr bezahlt und meinen Wagen ausgelöst hatte, entschied ich mich dagegen und fuhr persönlich bei ihm vorbei.
    Marquardt schrieb an seiner Doktorarbeit. Das Unterfangen zog sich nunmehr seit einigen Jahren hin und hatte erfolgreichere Zeiten gesehen. Es hatte sogar schon kurz vor dem Abschluss gestanden – da ereilte die bestürzte Öffentlichkeit die Nachricht, dass Personen von respektablem Rang und Ansehen bei ihren

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